Die „Twentieth Century-Fox Film Corporation“ gehört zu den sechs wichtigsten amerikanischen Filmstudios. Seine Anfänge reichen bis in das Jahr 1913 zurück. In den 1930er Jahren rückte die Fox mit Familienfilmen und dem Kinderstar Shirley Temple ins Rampenlicht der Öffentlichkeit. Aber auch in anderen Genres stand die Produktions-und Verleihfirma für anspruchsvolles Kino-Entertainment. 1953 machte die 20th Century Fox mit der Erfindung des Breitwandformats „CinemaScope“ Filmgeschichte. Knapp zehn Jahre später sollte die Fox durch die überfinanzierte und anschließend gefloppte Großproduktion „Cleopatra“ in finanzielle Bedrängnis geraten. Davon sollte sich das Unternehmen lange nicht erholen. Erst nachdem sie 1985 von dem Medienmogul Rupert Murdoch übernommen wurde. Der hatte wenig Interesse an der großen Filmbibliothek der Firma. Sie wurde nach und nach verkauft. Die Filme tauchen in letzter Zeit vorwiegend bei Billiglabeln auf DVD wieder auf. Rund ein Dutzend Fox-Filme wurde in letzter Zeit von EuroVideo veröffentlicht.
Das akustische Markenzeichen der „20th Century Fox“, die 1935 von Alfred Newman komponierte Fanfare, hat sich unverändert bis in die Gegenwart erhalten: Sie begleitet das Logo mit den Art-déco-Scheinwerfern, die einen nächtlichen Himmel beleuchten. Die Gründerväter und langjährigen Direktoren des Unternehmens Joseph Schenck und vor allem Darryl F. Zanuck legten von Anfang an Wert auf ambitionierte Produktionen. Das zeigt sich auch bei den Filmen, die jetzt bei EuroVideo erschienen sind. Sie sind zwischen 1950 und 1978 entstanden. Erlauben also einen Blick in die Fox-Firmen-Philosophie. Und nicht nur das: auch in die amerikanische Zeitgeschichte im Spiegel ihrer filmischen Wahrnehmung:
Alfred Newman war der Hauskomponisten der Fox. Er schrieb auch für den Western „The Gunfighter/Der Scharfschütze“ von Henry King aus dem Jahr 1950 die Musik. Einer der interessanten Western, die von der Fox in den 1950er Jahre produziert wurden und einen Umbruch in diesem Genre ankündigen. „The Gunfighter“ war einer der ersten Western mit einem gebrochenen Helden in einer Welt des gesellschaftlichen Wandels. Gregory Peck verkörpert einen Mann, der nach einem bewegten Leben zur Ruhe kommen will:
Inzwischen geht es nicht mehr darum, als erster den Revolver zu ziehen, sondern um den gesellschaftlichen Konsens. Deshalb richtet Ringo vor allem Unheil an, muss sich von einem ehemaligen Kampf-gefährten die neuen Gesetze von Recht und Ordnung erklären lassen und erleben, dass seine Heimkehr zu Frau und Kind keine Begeisterung auslöst.
Es ist nicht zu übersehen, dass Ringo – so heißt der negative „Held“ – viel mit der Gegenwart der Endvierziger Jahre des 20. Jahrhundert zu tun hat. Als die Amerikanischen Männer aus dem Krieg in Europa nach Hause kamen und sich nicht mehr zu Hause fühlten…
Mit „Forty Guns/Vierzig Gewehre“ produzierte die Fox 1957 einen Film, der die weitere Entwicklung nicht nur des Westerns, sondern der Filmgeschichte insgesamt wesentlich beeinflusste. Er machte seinen Regisseur Samuel Fuller zu einem der Väter der französischen Nouvelle Vague. Nicht nur die ungewöhnliche Ausnutzung des CinemaScope-Formats für einen Western in Schwarz-Weiß, sondern eine Powerfrau als zentrale Figur machen das Besondere dieses Films aus. Barbara Stanwyck verkörpert die dominante Ranch-Besitzerin Jessica Drummond: Ihr krimineller Bruder macht Jessica einerseits das Leben schwer, andererseits ist er ihr als Bodyguard zu Diensten.
Da taucht der furchtlose Marshall Bill auf und stellt sich dem Geschwisterpaar in den Weg. Jessica verliebt sich in ihn, was ihr Bruder nicht gerne sieht. In einer der berühmtesten Szenen des Film – dem Showdown – benutzt der böse Bruder die Schwester als Schutzschild. Ohne Wirkung, Bill schießt trotzdem…
In einer einzigartiger Mischung aus Ruhe und Bewegung handelt „Vierzig Gewehre“ von der Ambivalenz der Protagonisten in ihrer Beziehung zur Gewalt. Als Ausdruck unterdrückter Sexualität.
Einer der zu Unrecht vergessenen, außergewöhnlich interessanten Spätwestern in der Nachfolge von Samuel Fuller drehte Andrew McLaglen 1976 für die 20th Century Fox: „The last hard men/Der letzte der harten Männer“. Er spielt 1909: Ein Krimineller ist aus dem Gefängnis ausgebrochen. Ein pensionierter Sheriff versucht ihn wieder einzufangen – nach alter Westernart, die aus der Mode ge-kommen ist. Unterwegs trifft er einen jungen Mann:
Bei „The lost hard men“ sind die homophilen Zweideutigkeiten nicht überhören. Ebenso wenig die gesellschaftskritische Botschaft: vor dem Hintergrund der damals noch jungen Erfahrungen mit dem Krieg in Vietnam und Bürgerrechtsbewegungen handelt der Film vom Dilemma, mit Rezepten von Vorgestern die Probleme von heute lösen zu wollen. Mit interessanter Besetzung: Charlton Heston und James Coburn in den Hauptrollen.
Eine weitere ungewöhnliche Fox-Produktion jetzt neu auf DVD: „Ten north Frederick/Ein Mann in den besten Jahren“, Philip Dunne 1958 gedreht hat. Gary Cooper spielt einen reichen Geschäftsmann, der von seiner Frau zu einer politischen Karriere gedrängt wird – und versagt.
Schwache Männer und starke Frauen waren um 1960 vor allem in zeitgenössischen Theaterstücken, aber auch auf der Leinwand beliebt. In diesem Film wird in einer großen Rückblende ebenfalls von Verhältnissen berichtet, über die die Zeit hinweg gegangen ist. Ein großes Melodram – höchst delikat in Szene gesetzt.
Eine weitere spannende Entdeckung aus Fox-Filmbibliothek: Robert Altmans „Quintett“ von 1979. Ein experimenteller, durchaus typischer Film des Studios. Weil die Erdölressourcen erschöpft sind, hat sich die Erdoberfläche in eine Eiswüste verwandelt. Die mensch-liche Solidargemeinschaft ist zusammen gebrochen, wenn sie denn überhaupt einmal existiert hat. Paul Newman, Vittorio Gassman, Fernando Rey und Bibi Andersson spielen die letzten Überlebenden.
Das Spiel heißt wie der Film „Quintett“ und ist das letzte Aufblitzen einer untergehenden Kultur. Altman drehte damit einen Film über die Ängste und Hoffnungen, aber auch die Irritationen gegen Ende der 1970er Jahre. Äußerst sehenswert. Ebenso wie die Fox-Produktionen „Durch die gelbe Hölle“, „Leitfaden für Seitensprünge“ und „Treffpunkt Hongkong“, die ebenfalls neu bei EuroVideo auf DVD erschienen sind: neben der deutschen Synchronfassung, steht bei Allen auch das englische Original – allerdings ohne Untertitel – zur Verfügung. Einziges Extra: der englische Kinotrailer. Der Preis ist mit jeweils 11 Euro deshalb äußerst moderat.