Nach dem Zweiten Weltkrieg war Thailand filmisch betrachtet, für Europa und vor allem die USA als exotisches Billigproduktionsland von Interesse. Die Außenaufnahmen der Musical-Verfilmung „Der König und ich“ wurden hier ebenso gedreht wie „Die Brücke am Kwai“. Später waren James Bond zu Gast und Leonardo DiCaprio, als er für Danny Boyles „The Beach“ vor der Kamera stand. Wong Kar-Wai diente Bangkok als Kulisse für „In the mood for Love“ und Oliver Stone fand am Mekong das antike Griechenland für „Alexander“.
Die thailändische Filmszene wurde erst Ende des 20. Jahrhunderts in Europa zur Kenntnis genommen. Damals ging eine neue Generation von Filmemacher daran, für den Weltmarkt zu produzieren. Als besonders exportfähig erwiesen sich Filme, in denen die traditionelle Kampfsportart „Muay Thai“ eine Rolle spielte.
Vor allem der Film „Ong-Bak“ verhalf 2003 dem fast vergessenen Genre des Martial Arts zu einer weltweiten Renaissance. Das besonders brutale Thai-Boxing sorgte für zweifelhafte Schauwerte. Allerdings beschränkte sich die Vermarktung dieser Produktionen vorwiegend auf den DVD-Vertrieb. In der Massenware findet inzwischen die eine oder andere ernstzunemende Rarität. Zum Beispiel „Muay Thai Chaiya“ von Kongkiat Khomsiri von 2007.
Drei Freunde trainieren „Chaiya“ eine spezielle Muay-Thai-Version aus Südthailand mit seinen Traumstränden. Auf dem Weg zum Profi-Sport geraten die jungen Leute in den kriminellen Sumpf, der im thailändischen Box-Business reichlich vorhanden ist.
Zwar geizt der Film nicht mit reichlich blutigen Prügeleien, aber er behält dabei immer sein eigentliches Thema im Auge: die Verelendung einer Gesellschaft, in der der Kampf zu alltäglichen Leben gehört. Das Ganze ist mit einer ausgewogenen Dramaturgie und differenzierter Zeichnung der Charaktere inszeniert worden. Die von 3L veröffentlichte DVD von „Muay thai Chaiya“ ist freilich ein einziger Jammer: auf dem Cover wurde nicht einmal die Nennung des Regisseurs für notwendig erachtet. Obwohl aus der Abteilung „Keine Jugendfreigabe“ droht ein Hinweis „Überarbeitete Fassung“ – was immer damit gemeint sein mag. Neben der deutschen Synchronisation, steht als kleiner Trost das Original mit Untertitel zur Verfügung Als Bonus ein schlichtes Making of. Das ist besser als gar nichts.
Inzwischen scheint sich nach dem Motto „Junge Leute boxen sich nach oben“ in Thailand ein eigenes Genre etabliert zu haben. Der Plot folgt dabei immer demselben Muster. Gut gebaute Jugendliche aus den Slums geraten vor schöner Natur-Kulisse in eine hässliche Gesellschaft. Dabei wird die Solidarität innerhalb der Gruppe auf eine harte Probe ge-stellt. Ein weiteres interessantes Beispiel ist dafür „Fighting Beat“ von Pitti Chaturaphat. Auf DVD bei Sunfilm erschienen.
Dabei handelt es sich nicht um einen schlichten Matial Arts-Klopper-Film, sondern um die äußert aufschlussreiche Beschreibung der gegenwärtigen thailändischen Gesellschaft, die sich seit Jahrzehnten in einem latenten bis offenen Bürgerkrieg befindet. Die Spannung vor dem Kollaps eines Gemeinwesens ist hier besonders spürbar. Die deutsche DVD-Ausgabe von „Fighting Beat“ ist sogar einigermaßen sorgfältig ediert – mit einem nit uninteressanten Bonusteil.
Wie immer in einer von Krisen geschüttelten Gesellschaft, versuchen Filmproduzenten dem Publikum mit dem Rückgriff auf bessere Zeiten in der Vergangenheit Hoffnung zu machen. So werden in letzter Zeit in Thailand verstärkt Historienfilme gedreht. Sie beschäftigen sich vor allem mit dem Widerstand im einstigen Siam gegen innere und äußere Feinde.
Eines der originellsten Beispiele dafür drehte Preecha Songsakul mit „Siyama“: Mitte des 18. Jahrhunderts stellt sich eine Dorfgemeinschaft den marodierenden Truppen burmesischer Okkupanten entgegen. Dabei bekommen sie unverhoffte Unterstützung durch eine Gruppe Jugendlicher, die durch Geistermagie aus der Gegenwart in die Vergangenheit versetzt wurde.
Es ist also nicht zu übersehen, dass die Macher von „Siyama“ mit ihrer kühnen Zeitreise die Lage im gegenwärtigen Thailand meinen. Dabei spielte der Regisseur originell mit den Brüchen in den Zeitebenen und rückte seinen Film damit in die Nähe eines artifiziellen formalen Experi-ment. Aus DVD gibt es „Siyama“ in der Bundesrepublik von Sunfilm.
Auch dabei sollte man der OmU-Fassung den Vorzug vor der wenig überzeugenden eingedeutschten Version geben. Informativ auf dieser Disc der Bonusteil.
Neben dem populären thailändischen Gebrauchskino, hat sich seit zehn Jahren eine Independent-Filmszene entwickelt, deren Regisseure weniger zu Hause, als auf europäischen Festivals Furore machen.
Neben Pen-Ek Ratanaruang ist Apichtpong Weerasethakul der bekannteste von ihnen. Für seinen „Uncle Boonmee, who can recall his past lives“ wurde er in diesem Jahr mit der „Goldenen Palme“ der Filmfestspiele von Cannes ausgezeichnet. Der Film läuft gegenwärtig in den deutschen Kinos. Der vielseitige Künstler ist auf der internationalen Bühne der Avantgarde kein Fremder. Im Focus seiner Arbeiten steht immer Thailand als Symbol einer Gesellschaft des Übergangs. Das fragile Verhältnis zwischen den Menschen gerät bei Weerasethakul regelmäßig außer Kontrolle – ganz so wie in der Wirklichkeit. Dazu braucht es bei ihm keine handfesten Boxkämpfe, es reicht der subtile Schlagabtausch: Drei Filme Weerasethakuls stehen auf DVD zur Verfügung: „Tropical Malady“ aus dem Jahr 2004 gibt es von der Edition Salzgeber: Die Liebe zwischen zwei Männern scheitert in dem Moment, an dem sie sich auch körperlich näher kommen. Eine Odyssee durch einen von guten und bösen Geistern belebten Dschungel beginnt.
In Weerasethakuls „Blissfully Yours“ von 2002 suchen zwei Frauen und ein Mann jenseits der Urbanität in einer idyllischen Waldlichtung Erlösung. Doch dem Frieden ist nicht zu trauen. Eine filmgewordene Meditation über Sein oder Nichtsein. Auf DVD gibt es sie von der Filmgalerie 451. Die ganze Welt ein Krankenhaus, in dem Ärzte wie Patienten kaum Chancen für morgen haben, hat Weerasethakul 2006 in „Syndromes and a Century“ beschrieben. Dabei handelt es sich um den persönlichsten Film des Regisseurs. Seine Eltern sind Ärzte. Vom Britischen Filminstitut veröffentlicht, gibt es die DVD in Deutschland als Import. Spannende Filme aus Thailand auf DVD. Die Preise liegen zwischen 5 Euro für die Actionfilme und 20 Euro für die Arbeiten Apichatpong Weerasethakuls.
In der Reihe der „SynemaPublikationen“ des Österreichischen Filmmuseums ist in diesem Jahre die erste umfassende Monographie über Apichatpong Weerasethakul erschienen. Herausgeber ist James Quandt. Das in Englisch verfasste Buch enthält eine bestaunenswerte Materialfülle zun den Arbeiten des Filmemachers. Nicht nur eine Orientierungshilfe durch Weerasethakuls Kosmos, der mitunter für den westlichen Betrachter schwer zu entschlüsseln ist, sondern auch eine spannend zu lesende Bio-Monographie eines Künstlers im gegenwärtigen Thailand.