6. Festival des deutschen Films
16. bis 27. Juni 2010
Gestern Abend ist in Ludwigshafen das „6. Festival des deutschen Films“ mit der Verleihung des „Filmkunstpreises“ zu Ende gegangen. Im Gegensatz zu anderen Filmfestspielen – zum Beispiel der Berlinale -bekommt der Gewinner nicht nur die Ehre, sondern auch noch 50 000 Euro. Zum ersten Mal gab es in diesem Jahr noch weitere – allerdings undotierte – Preise. Mit dem „Filmkunstpreis 2010“ wurde Angela Schanelec für „Orly“ ausgezeichnet. Die aus Aalen gebürtige Regisseurin gehört zur sogenannten „Berliner Schule“ und hat mit „Marseille“ (2004) und „Nachmittag“ (2007) wesentlich zum internationalen Renommee des neuen deutschen Films beigetragen.
Flughafen Orly – der Wartebereich: Ein junges Paar war im Urlaub in Frankreich und ist jetzt auf der Heimreise. Mit ihrer Beziehung scheint es nicht zum Besten zu stehen; eine Frau wurde der Mantel gestohlen. Immerhin findet sie einen Zuhörer, dem sie ihr Problem erzählen kann. Wobei sie weniger der Verlust des Mantels bedrückt, als das Wiedersehen mit ihrem Mann in Kanada. Kurze Streiflichter, eingebettet in die allgemeine Hektik eines Großflughafens. Dazu hat es in der bereits unzählige Filme gegeben, in denen das zufällige Zusammentreffen unterschiedlicher Charaktere und Temperamente im Airport-Ambiente Thema gewesen ist.
Daran knüpfte Angela Schanelec mit ihrem neuen Film „Orly“ an – der bei seiner Uraufführung beim diesjährigen Internationalen Forum der Berlinale kaum Beachtung fand. Dabei handelt es sich um eine Preziose des deutschen Films in diesem Jahr.
Die hochbegabte Berliner Regisseurin hat den Ludwigshafener „Filmkunstpreis“ in jeder Beziehung verdient. Allein die äußere Form von „Orly“ ist bemerkenswert: Schanelec hat ihren Film während des laufenden Betrieb in Flughafenhalle gedreht.
Ihre Schauspieler tauchen in der Menge auf, um dann darin wieder zu verschwinden. Das dass Ganze einem minutiös ausgearbeiteten Drehbuch folgte, merkt man als Zuschauer nicht. Wir erleben den Film vielmehr als leichte Improvisation, die an Eric Rohmer erinnert. In der Begründung der Jury zur Preisverleihung heißt es: „Es sind poetische Momente des individuellen Innehaltens in einer dokumentarisch erfassten Welt der flüchtigen Bewegung!“
Damit haben die drei Jury-Mitglieder Helma Sanders-Brahms, Roman Paul und Wolfram Schütte nicht nur Angela Schanelecs Meisterwerk auf den Punkt gebracht, sondern eine Definition gefunden, die auf die meisten deutschen Produktionen der letzten Monate zutrifft. Beim „Festival des deutschen Films“ war davon in den letzten zehn Tagen eine repräsentativen Auswahl zu sehen. Die Regisseure sind auf spannende Weise dabei, die Wirklichkeit mit neuen filmischen Augen zu sehen. Etwa die Auseinandersetzung junger Leute mit dem Islam ihrer Eltern.
Das zeigt der Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg, Burhan Qurbani, in seinem Debut „Shahada“ am Beispiel von drei jungen deutschen Muslimen mit Migrationshintergrund in Berlin. Er ist dafür gestern Abend in Ludwigshafen in der Kategorie „Originellste Darstellungsform“ mit dem „Filmkunstpreis“ ausgezeichnet worden.
Auch hier überzeugt die unangestrengte Art, wie die dokumentarische Beschreibung der realen Verhältnisse mit einer fiktiven Geschichte in Einklang gebracht wird. Damit kann sich der deutsche Film auch international sehen lassen! Also: nicht nur deutsche Fußballer, sondern auch deutsche Filmemacher bringen erstaunliche Leistungen zustande…