Selbst bei bester Kondition und allgemeiner cineastischer Belastbarkeit ist bei Filmfestspielen jeglicher Art Mut zur Lücke angesagt. Deshalb wird dankbar zur Kenntnis genommen, das es Veranstaltungen wie das „Filmfest Hamburg“ gibt, die nicht zwangsläufig Wert auf die „erste Nacht“, d. h. Uraufführungen legen und schöne Werke zeigen, die bereits anderweitig präsentiert wurden. Gelegenheit also Versäumtes nachzuholen. Zum Beispiel bei den diesjährigen Filmfestspielen von Locarno. Da ist „Mobile Home“ aus Belgien nicht nur an mir, sondern auch bei nicht wenigen KollegenInnen „vorbei“ gegangen. Das war ein Fehler! Denn der Film von Francois Pirot ist der Rede wert ebenso wie der seines Landsmanns David Lambert „Hors les murs“ – in Cannes verpasst…
Julien und Simon sind zwei junge Männer, die die Pubertät nie so ganz überwunden haben. Simon lässt sich zwar widerwillig, aber weil es der Bequemlichkeit dient auch ganz gern von Mama verwöhnen; bei Julien ist die Lage schwieriger: Sein kranker und dabei ziemlich unzugänglicher Vater will versorgt sein.
Jetzt soll alles anders werden! Raus und weg, frei und unbeschwert: ein Cowboy-Leben jenseits von Daheim. Mit gepumptem Geld (von Simons Eltern) wird ein Wohnmobil gekauft und los gehts. Theoretisch. Praktisch stockt der Ausbruch aber an allen Ecken und Enden.
Das hat Pirot so fein und so genau erzählt, dass einen „Mobile Home“ von der ersten Minute an für sich einnimmt. Und um was es da nicht alles geht, ohne das der Film unterwegs in seine dramaturgischen Bestandteile zufällt! Allein das Joben der Beiden unter Waldarbeitern in einer Weihnachtsbaumplantage ist sehenswert. Zu entdecken gilt es nicht nur einen begabten Regisseur, sondern auch vorzügliche Schauspieler – Arthur Dupont (Simon) und Guillame Gouix (Julien).
Gouix spielt auch in „Hors les murs/ Jenseits der Mauern“ von David Lambert die Hauptrolle. Der Film feiert dieser Tage in Hamburg ebenfalls seine deutsche Premiere, nach dem er in Cannes dieses Jahr mit einem Preis der „Samaine de la Critique“ ausgezeichnet wurde. Salzgeber bringt ihn – auch da geht es um Freunde, die an ihrem leben etwas ändern wollen bzw. müssen – demnächst in die deutschen Kinos.