Hamburg hat Stil und Albert Wiederspiel hat Stil! Aus dieser symbiotischen Beziehung erwächst jedes Jahr Ende September das „Filmfest Hamburg“ als Solitär in der deutschen Festivallandschaft. Natürlich haben auch die anderen Filmfestspiele zwischen Emden und Tübingen ihren eigenen Charme. Aber Hamburg durchatmet dann doch ein ganz besonderer „Hauch der großen weiten Welt“. Die Filmauswahl ist mehr als nur ein „Best of…“ Cannes, Venedig etc. Sie setzt diskrete Akzente. Auch das hat Stil… Und dann der jährliche Douglas Sirk-Preis – diesmal an Fatih Akin.
Nicht nur weil Akin aus Altona kommt und den Preis beileibe nicht für sein „Lebenswerk“ bekommt. Vielmehr als Anerkennung für seine bisherige künstlerische Leistung. Das betonte Wiederspiel gestern Abend vor vollem Haus. Dabei hatte die Preisverleihung ein interessantes Vorspiel: Der diesjährige Preisträger ist mit seinem Serbischen Kollegen Emir Kusturica befreundet. Das ist seine Sache, selbst wenn Kusturica nach dem Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien mit seinem politischen Rechtsschwenk ziemlich irritierte und seitdem keinen einigermaßen akzeptablen Film mehr zustande gebracht hat: Kusturica hat also ein beträchtliches Imageproblem…
Vielleicht war es hanseatische Großzügigkeit, die dazu geführt haben, die persona non grata Kusturica als Laudator für Fatih Akin einzuladen. Delikat jedenfalls jemandem ein Forum zu geben, der den Völkermord im eigenen Land negiert bzw. relativiert und anschließend einen Film zu zeigen, der den ersten Genozit im 20. Jahrhundert zum Thema hat: Akins „The Cut“ ist eine großartige Spurensuche nach den Urgründen des zivilisatorischen Falls in die Barbarei.
Vielleicht sollte die Einladung Kusturica ja auch Gelegenheit zur Besinnung geben…Jedenfalls eine hochspannende Angelegenheit! Doch daraus wurde nichts! Kusturica hat zwei Tage vorher abgesagt – ein verstauchter Knöchel… Schade, da ist er wohl über seinen eigenen Mut gestolpert! Danach ist nun ist anzunehmen, dass sich der einst mit Filmen wie „Underground“ oder „Times of the Gipsys“ profilierte Regisseur damit endgültig ins Aus manöviert hat.
Für das „Filmfest Hamburg“ war die Absage kein Problem: klug und feinfühlig würdigten Albert Wiederspiel und die Hamburger Kultursenatorin Prof. Barbara Kisseler den Preisträger. Gleichgültig ob sie einen guten Ghostwrider oder die Laudatio selbst verfaßt hat: ein derart genauer Blick auf das Werk des Ausnahme-Regisseurs Fatih Akin und seinen komplizierten neuen Film verdient Applaus….
Übrigens: das „Ohnsorg-Theater“ studiert zur Zeit „Soul Kitchen“ auf plattdeutsch ein! Laut Senatorin der endgültige Hamburger „Ritterschlag“ für Fatih Akin!