Heute morgen wurde das Programm der diesjährigen Filmfestspiele von Locarno (7. bis 17. August) vorgestellt: Ganz im Geheimen hat David F. Wnendt („Die Kriegerin“) Ende letzten Jahres Charlotte Roches Schmuddelbestseller „Feuchtgebiete“ verfilmt. Interessant: für Peter Rommel, der in letzter Zeit vor allem als Andreas-Dresen-Produzent Furore gemacht hat. Abgesehen vom Altersex in „Wolke 9“ hatte es Rommel im Filmgeschäft weniger mit der Erotik. Aber hat die Nase vorn: Für Constantin werkelt Sönke Wortmann noch an Roches Opus 2 „Schoßgebete“ unter der Gürtellinie. Nachdem die Autorin kürzlich in einer Talkshow erklärte, sie würde jetzt gerne Pornos drehen, darf man gespannt sein, ob beim „66. Festival del Film Locarno“ das züchtige Schweizer Publikum in der „Fevi“-Turnhalle reihenweise in Ohnmacht fällt, wenn die Verfilmung der „Feuchtgebiete“ im Wettbewerb um den „Goldenen Leoparden“ Premiere haben wird. Der Film kommt kurz darauf (22. August) in die deutschen Kinos. Frau Roche hat angekündigt, zur Premiere an den Largo Maggiore zu reisen…
Außerdem im „Concorso internationale“ Neues von Kiyoshi Kurosawa, Thomas Imbach, Claire Simon und Debuts aufstrebender Talente. Der neue künstlerische Leiter der Filmfestspiele, Carlo Chatrian, setzt im Vergleich zu seinen nur kurzzeitig amtierenden Vorgängern nur bedingt neue Akzente – im Wettbewerb.
Die übliche Gradwanderung zwischen Anspruch und weniger Anspruch unter südlichem Sternenhimmel (wenn es nicht regnet) repräsentiert das Programm für die Piazza Grande. Es soll pro Abend möglichst 7000 Besucher vor die größte Leinwand Europas locken. Da wird es bei“2 Guns“ von Baltasar Kormakur vermutlich krachen und Jean-Stéphane Brons elegante Seelenlandschaften zu bestaunen geben: „L’experiénce Blocher“ heißt sein neuer Film. Ebenso darf man auf Lionel Baiers „Les grandes Ondes (À l’oust)“ gespannt sein. Aus dem Programm der diesjährigen Berlinale gibt es „Gloria“ zu sehen und als Weltpremiere Sam Garbarskis „Vijay and I“ mit Moritz Bleibtreu…
Beschaulich bis schleppend lässt Sandra Nettelbeck nach längerer Schaffenspause Michael Caine auf seine alten Tage „Mr. Morgan’s last love“ erleben. Motto: auch der Herbst hat noch schöne Tage…
Weil Werner Herzog nach dem Berliner „Ehrenbären“ seine Preis-Menagerie um einen „Ehrenleoparden“ erweitern kann, wird auf der Piazza Grande der betagte „Fitzcarraldo“ gezeigt.
Wem das aktuelle Filmschaffen weniger liegt, kommt bei der traditionellen Retrospektive in Locarno voll auf seine Kosten: sie ist in diesem Jahr dem Werk von Georges Cukor gewidmet. Da lacht das Herz des Cineasten!
Der Genuß lässt sich nicht dadurch trüben, dass in diesem Rahmen der wunderschöne „Wizzard of Oz“, an dem Cukor zeitweise mitgewirkt hat, in einer 3D-konvertierten Fassung gezeigt werden. Da kann man sich, over the rainbow, nur in Grausen abwenden…
Doch das wird die Lust auf Locarno nicht schmälern…