Das DVD/Blu-Ray-Label Arthaus/Kinowelt widmet sich traditionell auch der Pflege filmgeschichtlich bedeutender Werke. In der neuen Reihe „Arthaus Retrospektive“ wurden Anfang dieses Monats gleich mehrere Filme auf DVD veröffentlicht, von denen die meisten bisher nur schwer als Importe greifbar waren. Ganz besonders viel Mühe wird sich bei der Premium-Reihe „Collection StudioCanal“ gegeben, die bereits mehrere Titel im Angebot hat. Bei beiden Reihe zahlt sich die Verbindung von Kinowelt mit dem französischen Medienriesen „StudioCanal“ aus.
Zum Auftakt der „Arthaus Retrospektive“:Die berühmte Ausnahme im Oevre Alfred Hitchcocks: „Mr. & Mrs. Smith“ aus dem Jahr 1941; eigentlich hatte der Meister wenig Neigung, das Drehbuch von Norman Krasna über eine Ehekrise als Screwball Comedy zu inszenieren. Es soll den Überredungskünsten von Carole Lombard zu verdanken sein, das sich Hitchcock auf das für ihn ungewohnte Terrain begab. Sie war für die weibliche Hauptrolle vorgesehen. In „Mr. & Mrs. Smith“ geht es um eine fatale Beziehung, wie es sie häufig bei Hitchcock gibt. Voller Verdächtigungen und massiven Aggressionen. Die Ehe der ziemlich wohlhabenden Smith‘ ist labil. Ein Katalog von Ver-und Geboten soll zur Stabilisierung beitragen: bei einem Ehekrach zum Beispiel, dürfen die Ehepartner so lange das Schlafzimmer nicht verlassen, bis die Harmonie wieder hergestellt ist. Das kann Tage dauern…
Diesmal ging noch einmal alles gut. Im Büro von Mr. Smith ist man an entsprechende Ausfälle des Chefs gewöhnt. Doch da kündigt sich neues Unheil an: Durch einen erst jetzt entdeckten Formfehler, ist die Ehe von Mr. und Mrs. Smith juristisch ungültig. Er nimmt die Angelegenheit spaßig, sie nicht.
So werden die Schatten auf der Beziehung länger, ein Schrecken folgt auf den Nächsten. Mit sichtbarer Schadenfreude sezierte Alfred Hitchcock in „Mr. & Mrs. Smith“ den Kollaps einer Ehe. Suspense auf einer anderen Ebene. Wie alle Hitchcock-Filme ist auch dieser zeitlos großartig!
„Out oft the past“, bzw. „Goldenes Gift“ (so der unpassende deutsche Verleihtitel aus den 1950er Jahren) gehört zu den Höhepunkten des amerikanischen Films der ersten Nachkriegsjahre. Jacques Tourneur hat ihn 1947 gedreht: mit Robert Mitchum und Kirk Douglas in den Hauptrollen.
Mitchum spielt Jeff, einen ehemaligen Privatdetektiv, der allen Grund hat, unter falschem Namen in der Provinz als Tankwart einen neuen Anfang zu versuchen. Eines Tages wird Jeff von seiner Vergangenheit eingeholt. Da ist dann auch nichts mehr zu machen. Sein Leben eine Sackgasse! In brillanten Schwarz-weiß-Kontrasten in der Form wie im Inhalt erzählt Tourneur von einem erbarmungslosen Schicksal, das seinen Lauf nimmt. Der Titel „Out of the past“ bleibt eine unerfüllte Hoffnung. Einer der künstlerischen Höhepunkte des „Films Noir“!
An die einstigen großen Erfolge im Stil eines „Films Noir“ vor exotischer Kulisse wollte Josef von Sternberg 1952 mit „Macao“ anknüpfen. Auch hier geht es um die Schatten aus der Vergangenheit, die die Gegenwart verdunkeln.
Ein zwielichtiger Abenteurer, ein leichtes Mädchen und ein biederer Geschäftsmann, der mit Seidenstrümpfen handelt, treffen sich an Bord eines Schiffes auf dem Weg in die chinesische Hafenstadt – neben Jane Russell und William Bendix spielt auch hier Robert Michtum eine Hauptrolle – die eines Getriebenen.
Alle drei geraten ins Räderwerk der Unterwelt. Sternberg wurde gegen Ende der Dreharbeiten von „Macao“ vom Produzenten Howard Hughes durch den jungen Nicholas Ray ersetzt. So schlecht wie Sternberg später im Zorn den Film geredet hat, ist er nicht – im Gegenteil. Die interessante Kombination von zwei Cineasten, die viel gemeinsam hatten, ergaben einen ungewöhnlichen Film. Das macht die Veröffentlichung von „Macao“ innerhalb der Reihe „Arthaus Retrospektive“ deutlich.
Durchaus in die „Retrospektiven“-Reihe würde „Der weiße Scheich“ passen, den Arthaus bereits Anfang des Jahres als Solotitel veröffentlicht hat: das Regie-Debut von Federico Fellini von 1952 ist eine absolute Rarität, die nur ganz selten zu sehen ist. Hier in einer wunder-schönen Edition: eine Mediensatire. Nach einer Idee von Michelangelo Antonioni zeigt sich bereits hier Fellinis einzigartige Kunst, die phantastischen Momente des Alltags als wehmütige Illusion darzustellen. Zu den Extras der DVD gehört eine Einführung in den „Weißen Scheich“ durch die Fellini-Biographin Charlotte Chandler.
Lange nicht mehr zu hören und sehen: „Ladykillers“ von Alexander Mackendrick mit Alec Guinnes, Herbert Lom, Cecil Parker, Peter Sellers und der unvergleichlichen Katie Johnson.
Das Original von 1955 und nicht das missglückte Remake der Coen-Brüder – auf Blu-Ray in der „Collection StudioCanal“ von Arthaus; sowohl in Englisch, als auch in Deutsch. Im richtigen Format und aufgefrischtem Technicolor. Ein Hochgenuss für trübe Stunden.
Für ernste Momente bietet die Reihe „Arthaus Retrospektive“ von „L’eclisse“, 1962 von Michelangelo Antonioni – mit Alain Delon und Monica Vitti als Neuauflage. In der Bundesrepublik kam der Film gekürzt unter dem sinnigen Titel „Liebe 1962“ heraus.
Piero der Börsianer und die Übersetzerin Vittoria versuchen sich in einer Beziehung. Es wird nichts daraus. In den anonymen Steinwüsten der Großstadt Rom haben Gefühle keinen Platz. „L’eclisse“ war Antonionis letzter Schwarzweißfilm, den er in kühlen quadrierten Bildern drehte. Die DVD enthält den Film ebenfalls in einer exquisiten Edition – mit einer Einführung des französischen Filmhistorikers José Moure.
Ein weiterer wichtiger Film der 1960er Jahre „The Go-Between/Der Mittler“ von Joseph Losey, einem heute fast vergessenen großen Regisseur des Films nach 1945. Von der Hexenjagd des amerikanischen Senators McCarthys aus den USA vertrieben, arbeitete Losey die meiste Zeit seines Lebens in England; und da gerne mit dem Dramatiker Harold Pinter zusammen. Auch in diesem Film geht es um eine bitter Liebesgeschichte, deren Tragik über 50 Jahre anhält.
„The Go-Between“ ist ebenfalls in der StudioCanal Collecation auf Blu-Ray erschienen – mit einem üppigen Bonusteil und ausführlichem Booklet in der feinen Verpackung. Ein bisschen davon würde man sich für die „Arthaus Retrospektive“ wünschen. Da ist ein Trailer als Beigabe das höchste der Gefühle.
Auch bei „The naked kiss“, einer besonderen Perle der modernen Filmgeschichte: Gleich in der ersten Minute schlägt die Nutte Kelly ihren Zuhälter nieder. So beginnt „The naked kiss“ von Samuel Fuller. Einer seiner legendärsten Filme – ebenfalls in Deutschland selten zu sehen.
Jetzt in der „Arthaus Retrospektive“ auf DVD-Premiere erschienen. Ein verspäteter Film Noir, der kein Erbarmen kennt, zukunftsweisend in seiner Wucht der Inszenierung – mithin von ungebrochener Modernität.
Raritäten der Filmgeschichte von Kinowelt aus „Arthaus Retrospektive“ zum Preis von jeweils ca. 10 Euro;
die StudioCanal Collection-Blu-Rays kosten jeweils 20 Euro.