Von Anfang an war man sich im Hause Disney über die filmgeschichtliche Bedeutung der Produktionen im Klaren. Deshalb wurden sie für die Nachwelt akribisch archiviert und konserviert. Das hat sich ausgezahlt. Seit es neue Wege der Vermarktung gibt – von Super8 über Video und Laser-Disc zu DVD und Blu-ray. Immer war die Disney-Coporation bemüht, ihre Schätze angemessen zu vermarkten. Dabei gehört es zur Strategie des Unternehmens, die einzelnen Titel zeitlich begrenzt und dafür in regelmäßigen Abständen neu anzubieten.
Nach Jahren der Abstinenz entschädigt Disney jetzt mit einer besonders schönen „Fantasia“-Edition – auf DVD und natürlich auf Blu-ray: besonders empfehlenswert auch diesmal die 2-Disc Special Edition mit DVD und Blu-ray. Damit ist man für jede Gelegenheit gerüstet.Lange Zeit war in Deutschland von „Fantasia“ nur eine stark gekürzte Version zu sehen. Die Kürzungen betrafen vor allem den Kommentar des Musikkritikers Deems Taylors, der inmitten des Orchesters stehend von einem Segment zum nächsten überleitet.
Besonders raffiniert in der Kombination von Musik und abstraktem Film gelang Bachs „Toccata und Fuge“. Auf Blu-ray ein ganz besonderer Genuss. An dieser „Fantasia“-Episode hat übrigens der deutsche Zeichentrick-Pionier Oskar Fischinger wesentlich mit gearbeitet. Die Nazis hatten ihn aus Deutschland vertrieben.
Ganz anders im typischen Disney-Stil ließ Walt Disney und seine Regisseure James Algar und Samuel Armstrong Tschaikowskis „Nussknacker-Suite“ illustrieren.
Auch dabei beginnt es abstrakt: aus bunten Punkten entwickeln sich dann kleine Elfen. Die Jahreszeiten verändern sich: als putzige Reminiszenz an die Zwerge in Disneys „Schneewittchen“ tanzen kleine Fliegenpilze.
Das „Herzstück“ von „Fantasia“ ist „Der Zauberlehrling“: die Vertonung von Goethes Gedicht durch Paul Dukas. Micky Maus verkörpert den Zauberlehrling, der die Geister, die er rief nicht mehr los wird. Der Zauberer soll entfernt die Gesichtszüge Walt Disneys haben.
Gewagt, aber gleich wohl im höchsten Maße faszinierend ist Disneys Umsetzung von Beethovens 6. Sinfonie, der „Pastorale“. Vor klassischer Kulisse tummeln sich Götter, Faune und Zentauren. Weil eine Zentaurin negroide Züge hatte, wurde die entsprechende Figur nach Protesten bei der Uraufführung mit großem technischem Aufwand – damals noch ohne digitale Hilfsmittel – aus dem Film entfernt. Daran zeigt sich, wie sensibel Disney auf Rassismusvorwürfe reagierte.
Gerade die Sequenz mit der „Pastorale“ gilt heute nicht nur film-sondern auch kunstgeschichtlich als Referenz-Stück der Pop Art. Wie überhaupt die bahnbrechende Bedeutung von „Fantasia“ erst in den 1970er Jahren gewürdigt wurde, also 30 Jahre nach der Uraufführung.
Dunkel und bedrohlich – angesichts der heraufziehenden Katastrophe des Zweiten Weltkriegs – wurde der Schluß von „Fantasia“ mit Mussorgskis „Die Nacht auf dem kahlen Berge“ umgesetzt. Die Apokalypse.
Da ist Schuberts „Ave Maria“ ganz zum Schluss nur ein schwacher Trost. In jeder Beziehung verstört und überfordert verließen die Zuschauer 1940 nach „Fantasia“ die Kinos. Zum ersten Mal erlebte Disney eine herbe finanzielle Schlappe. Von einer geplanten Fort-setzung wurde Abstand genommen.
Beethovens Fünfte eröffnet die späte Fortsetzung „Fantasia 2000“, die am 1. Januar 2000 in den USA startete und zwar in IMAX-Kinos. „Fantasia 2000“ sollte auf seine Weise so innovativ wie der erste Teil sein. Deshalb wurde hier auch mit der vor zehn Jahren noch in den Anfängen steckenden Computeranimation experimentiert: Zum Beispiel bei der Verbindung des Klavierkonzerts Nr. 2 von Dimitri Schostakowitsch mit Andersens Märchen vom „Standhaften Zinnsoldaten“.
Etwas ungelenk ist diese Fantasia 2000-Episode bereits ein Stück Filmgeschichte. Um ganz sicher zu gehen wurde „Der Zauberlehrling“ aus dem Ur-Fantasia-Film noch einmal verwendet. Ebenso ist das „Finale“ aus Camille Saint-Saens „Karneval der Tiere“ mit tanzenden Krokodilen, Straußen und Nilpferden eine Referenz an den ersten Teil.
Um die Ansagen der einzelnen Episoden unterhaltsamer und attraktiver zu gestalten, wurden dafür Stars der unterschiedlichsten Provenienz engagiert von Bette Mittler bis Quincy Jones.
Obwohl „Fantasia 2000“ nur bedingt einem Vergleich mit „Fantasia“ von 1940 standhält, ist auch das ein ansehnlicher Film geworden. Auch davon gibt esebenfalls eine „2-Disk Special Edition“ mit DVD und Blu-ray. Wobei der Bonusteil bei den Blu-rays deutlich üppiger ausgefallen ist. Das zeigt insbesondere bei der Dokumentation zu „Destino“ bei den Extras zu „Fantasia 2000“.
Dass Walt Disney bereits bei den Vorbereitungen zu „Fantasia“ Kontakt zu dem Maler Salvatore Dali auf genommen hatte, war seit langem bekannt. Aus unterschiedlichen Gründen ist einer Zusammenarbeit dann nichts geworden. Statt dessen gestaltete Dali die Traumsequenz zu Hitchcocks „Spellbound“ Im Disney-Firmenarchiv sind inzwischen Vorarbeiten zu einem Film entdeckt worden, den der Künstler tatsächlich für Disney begonnen hatte. Zusammen mit einem ebenfalls erhaltenen Exposé wurde der Versuch einer Rekonstruktion unternommen. Neben der Dokumentation über eine spannende Fußnote der Filmgeschichte, gibt es auch den rekonstruierten „Destino“ als Extra dazu.
„Fantasia“ und „Fantasia 2000“ sind ideale Geschenke für Menschen die schon alles und dabei ein Faible fürs Besondere haben. Kostenpunkt: jeweils 25 Euro.