Deutschland 2012
Regie: Eric Fiedler
Erstsendung: 12. Juni 2012, 23.45 Uhr (ARD)
1951 als Sohn eines amerikanischen Besatzungssoldaten und einer Deutschen geboren, hat der in einer Baracken-Siedlung am Mannheimer Stadtrand aufgewachsene Charly Graf eines gelernt: man muss zurück schlagen können! Als 17jähriger machte er das zum Beruf und wurde Profi-Boxer! „Schwarzen Bomber“ nannte man ihn. Dabei brachte es Graf sogar zum „Deutschen Meister im Schwergewicht“. Nebenbei rutschte er aber mit Karacho ins Mannheimer Rotlicht-Milieu. Wegen Glücksspiel, Zuhälterei und sogenannten „Rohheitsdelikten“ landete Graf schließlich in Stammheim. Hinter Gittern lernte er den ehemaligen RAF-Terroristen Peter-Jürgen Boock kennen. Die Beiden wurden Freunde und fanden nach der Entlassung aus dem Gefängnis in die Gesellschaft zurück. Die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Graf und Boock steht im Mittelpunkt des Dokumentarfilms „Ein deutscher Boxer“ des Australiers Eric Fiedler.
Es ist nicht der erste Film über Charly Graf, der im letzten Jahr seine Autobiographie mit dem Titel „Kämpfe für dein Leben“ veröffentlicht hat. Darin heißt es: „Rassistische Ausgrenzung war für mich keine Theorie, sondern tägliche Realität“. Wie es ihm unter ungünstigsten sozialen Bedingungen – vielen Ups und Downs – schließlich gelungen ist, seinen Platz in der Gesellschaft zu finden, macht das Besondere der Persönlichkeit des Charly Graf aus. Den gebürtigen Australiers Eric Fiedler interessierte an Charly Grafs Biographie vor allem seine Freundschaft mit Ex-RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock.
Der intellektuelle Weltveränderer und der Boxer, der gewohnt war, Konflikte mit der Faust zu lösen: Multikulti der besonderen Art. Dabei fällt die Zurückhaltung auf, mit der Fiedler seine Protagonisten zu Wort kommen lässt; nur ganz selten fragt er nach – lässt die beiden erzählen und montiert mit Fingerspitzengefühl die separat geführten Interviews.
Voneinander lernen, offen sein für einen Anderen: das zeigt Eric Fiedler in „Ein deutscher Boxer“ am Beispiel von zwei Ausnahmepersönlichkeiten. Zwei Boxer eben: der eine im tatsächlichen, der andere im übertragenen Sinn. Zwei, die sich nie aufgegeben haben. Natürlich ist die Einsicht nicht neu, das es sich bei einem wie Graf um einen hochsensiblen Menschen handelt, der seine Muskeln als Schutzwall für sein von Kindheit an verletztes Seelenleben benutzte. Boock hatte auf seine Art ebenfalls Einiges zu kompensieren, was ihn zur RAF trieb.
„Genug ist nicht genug“ nach Konstantin Wecker ist für Charly Graf mehr als nur ein Song-Titel, sondern Lebensmotto. Eric Fiedler ist mit „Ein deutscher Boxer“ ein Highlight im deutschen Fernsehalltag gelungen, das es verdient hätte nicht erst nachtschlafender Zeit gesendet zu werden….