Im Grundsatz verdient die „Deutsche Filmakademie“ größte Sympathie. Sie dient dem Ansehen des deutschen Films! Ob es dazu der mehr oder weniger peinlichen jährlichen Galas zur Verleihung der „Deutschen Filmpreise“, genannt „Lolas“ , bedarf, bleibt dahin gestellt. Zumindest sind die Veranstaltungen – vom Fernsehen verschämt zeitversetzt ausgestrahlt – Manifestationen zum Selbstverständnis der Akademie: ein Hauch von „Oscar“. Und da liegt auch schon ein Problem: Ob „Oscar“, „Bambi“, „Cesar“ oder „Jupiter“. Dabei handelt es sich um Image-Preise der Branche oder von Zeitschriften. Meistens geht es dabei undotiert um die Ehre. Ebenso wie bei den Berliner „Bären“ oder den „Palmen“ in Cannes. Dabei können die Stifter natürlich nach eigenem Gusto verfahren und sind niemandem Rechenschaft schuldig, wen sie bedenken und wen nicht. Bei der „Deutschen Filmakademie“ ist das anders: hier „verwalten“ die Mitglieder Steuergelder in beträchtlicher Höhe und müssen sich fragen lassen, was sie mit den Millionen anfangen. Mitglied kann m. E. jeder werden, der in der Deutschen Filmbranche zu tun hat. Ein Geschäftsführer – zur Zeit der Journalist und Branchenkenner Alfred Holighaus – sorgt für die Organisation; ein Präsidium – an der Spitze Iris Berben und Bruno Ganz – vor allem für die Außenwirkung und die Politik der Adademie. Trotz Online-Präsenz (www.deutsche-filmakademie.de) übt sich die Spitze des Hauses übers Jahr in vornehmer Zurückhaltung. Vor allem gegenüber kritischen Fragen Seitens der Öffentlichkeit. Das erklärt die Notwenigkeit eines „Offenen Briefes“ an die Akademie.
Sehr geehrte Mitglieder der Deutschen Filmakademie!
In der kommenden Woche trifft sich die deutsche Filmbranche wieder bei den Hofer Filmtagen. Wir, eine Gruppe von deutschen Filmkritikerinnen und Filmkritikern, finden, dieses „Klassentreffen des deutschen Films“ könnte Anlass sein, einmal grundsätzlich über den Deutschen Filmpreis zu diskutieren, den Sie seit 2005 vergeben.
Bekanntlich handelt es sich um den höchstdotierten deutschen Kulturpreis. Anders als bei den Oscars, Césars oder Goyas feiert sich hier nicht nur eine Filmbranche selbst, sondern vergibt darüber hinaus eine Preissumme von fast drei Millionen Euro, die aus dem Etat des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zur Verfügung gestellt wird. Hieraus erwächst für die Akademie eine große Verantwortung, weil die Preisgelder für künftige Filmprojekte vorgesehen sind. Ist diese Vermischung von Förderungspolitik und der Auszeichnung künstlerischer Leistungen unverrückbar festgeschrieben? Liegt nicht hier schon die Wurzel aller Unzufriedenheit?
Nicht erst seit der Filmpreisgala 2012 fragen wir uns, ob die Auswahl- und Abstimmungsregeln, die sich die Akademie selbst gegeben hat, wirklich dazu geeignet sind, der Vielfalt des deutschen Films auch im Sinne einer finanziellen Förderung zu entsprechen. Kann die Mehrheitsabstimmung der 1300 Mitglieder das garantieren? Müssen nicht auch preiswürdige, aber nicht unbedingt mehrheitsfähige Ausnahmefilme eine Chance bekommen, solange der Preis als kulturelle Subvention definiert ist?
Die Entscheidungen der letzten Jahre zeigen eine unübersehbare Tendenz zum kleinsten gemeinsamen Nenner, zu einem Konsenskino, das künstlerische Extreme ebenso wie große Kassenerfolge von vornherein ausschließt. Kann man „John Rabe“ (Goldene Lola 2009) und „Vincent will Meer“ (Goldene Lola 2011) tatsächlich als die herausragenden Filme ihres Jahrgangs prämieren?
Dagegen ist es kaum vorstellbar, dass ein Film wie Werner Schroeters „Malina“ (Filmband in Gold 1991) oder Romuald Karmakars „Der Totmacher“ (Filmband in Gold 1996) noch einmal einen Preis gewinnen könnte. Ein international ausgezeichneter Film wie Ulrich Köhlers „Schlafkrankheit“ (Silberner Bär der Berlinale 2011 für die beste Regie) schaffte es nicht einmal unter die sechs nominierten Filme.
Leider hat sich bei uns der Eindruck festgesetzt, dass die Akademie an einer Auseinandersetzung mit solchen und anderen Befunden nur wenig Interesse hat. Kritik wird ignoriert oder in internen Zirkularen der Akademie verhöhnt, obgleich der Zweck einer Akademie ja genau darin besteht: Impulsgeber und Akteur im öffentlichen Gespräch über Film und Kino zu sein.
Wir zweifeln nicht am Enthusiasmus der Mitglieder und an ihrer Leidenschaft fürs Kino. Wir möchten daher an die Akademie appellieren, ihre grundsätzliche Aufstellung, zumindest aber ihr Auswahl- und Abstimmungsverfahren noch einmal gründlich zu überprüfen.
Dietmar Dath (FAZ)
Knut Elstermann (radioeins)
Fritz Göttler (Süddeutsche Zeitung)
Moritz Holfelder (BR)
Sabine Horst (epd Film)
Andreas Kilb (FAZ)
Tobias Kniebe (Süddeutsche Zeitung)
Peter Körte (FAS)
Anke Leweke (Deutschlandradio)
Verena Lueken (FAZ)
Katja Nicodemus (Die Zeit)
Cristina Nord (taz)
Christiane Peitz (Der Tagesspiegel)
Bert Rebhandl (Cargo)
Hanns-Georg Rodek (Die Welt)
Josef Schnelle (Deutschlandfunk)
Ulrich Sonnenschein (HR)
Herbert Spaich (SWR)
Anke Westphal (Berliner Zeitung)
Robert Weixlbaumer (tip Berlin)
Inzwischen hat die „Deutsche Filmakademie“ Stellung genommen:
„Die Deutsche Filmakademie hat den heute in der „Zeit“ unter dem Titel „So nicht, liebe Akademie“ veröffentlichten und in vielen wichtigen Zeitungen ausführlich zitierten „Offenen Brief“ auch mit der Post bekommen und selbstverständlich zur Kenntnis genommen. Wir können darin zwei wesentliche Absichten erkennen: Zum Einen den deutlichen Wunsch nach mehr Dialog der Filmakademie mit der Öffentlichkeit, namentlich der veröffentlichten Meinung. Zum Anderen die Aufforderung, die Modalitäten und Bedingungen für die Wahl zum Deutschen Filmpreis, mit der der Kulturstaatsminister die Filmakademie beauftragt hat, neu und gründlich zu überdenken. Wir kommen beiden Wünschen gerne nach. Und das übrigens nicht erst seit Erhalt der Post. Wir möchten darüber hinaus die Unterzeichner des Briefes ausdrücklich zu einem persönlichen Gespräch einladen.“