Orson Welles ist eines der großen Genies der Filmgeschichte. Sein 1941 gedrehtes Debut „Citizen Kane“ gilt als Auftakt der modernen Filmgeschichte. Leider geriet das amerikanische „Wunderkind“ bis zu seinem Tod 1985 ständig in Konflikt mit seinen Produzenten und stand sich leider bei einer Vielzahl seiner Projekte selbst im Wege. Das führte dazu, dass die meisten seiner Filme unvollendet geblieben sind bzw. gegen seinen Willen verändert wurden. Das geschah auch 1958 mit seinem so grandios wie düsteren „Film Noir“ „Touch of Evil/Im Zeichen des Bösen“. Der Film ist jetzt in einer aufwändigen Edition der Reihe „Masterpieces of Cinema“ bei Koch Media erstmals auf Blu-ray erschienen.
Die neue Edition von „Im Zeichen des Bösen“ enthält den Film in drei verschiedenen Fassungen. Daran zeigt sich bereits das bewegte Schicksal dieses Meisterwerks. Angeblich auf Wunsch des Hauptdarstellers Charlton Heston hat der Produzent Universal Orson Welles das Projekt angeboten: die Verfilmung eines schlichten Polizeikrimis ohne besonderen Anspruch. Mit Befremden mussten die Studio-Verantwortlichen feststellen, dass Welles dabei war, aus dem Stoff ein existentialistisches Melodram, eine komplexe Geschichte über Abhängigkeit, Loyalität und Gerechtigkeit zu machen. Welles wird der finale Schnitt des Films aus der Hand genommen. Kurz vor der Premiere im Mai 1958 schickt er zur Rettung seines Films ein umfangreiches Memorandum mit Vorschlägen zur Montage des Films an die Studioleitung. Für eine Voraufführung werden einige wenige Anregungen berücksichtigt.
Als das Publikum dennoch irritiert bis ablehnend auf „Im Zeichen des Bösen“ reagiert, kürzt das Studio den Film drastisch um fast 20 Minuten auf 96 Minuten. So kommt er in die regulären Kinos. Diese Fassung ist auf Disc 2 der neuen „Masterpieces of Cinema“-Edition enthalten. Ebenso die immerhin 108-Minuten lange, sogenannte „Preview-Fassung“. Auf Disc 1 schließlich die 111-Minuten lange Version, die postum 1998 auf Grund des erhaltenen Welles-Memorandums hergestellt wurde und somit annähernd seinen Vorstellungen entsprechen dürfte.
Filmgeschichte hat zum Beispiel die über dreiminütige Kamerafahrt zu Beginn des Films gemacht. Sie stellt die Ausgangslage des Films in einem schäbigen Kaff an der mexikanisch-amerikanischen Grenze vor.
Ein Sprengstoff-Anschlag gibt dem mexikanischen Drogen-Fahnder Vargas Rätsel auf. Sein amerikanischer Kollege zeigt sich wenig kooperativ. Ein vierschrötiger böser alter Mann, der Einiges zu verbergen hat. Er wird von Orson Welles selbst gespielt, Vargas von Charlton Heston. Mit von der Partie, in einer Nebenrolle: Marlene Dietrich. Die vielleicht schönste Rolle in reiferen Jahren…
Die Dietrich hat sich für die deutsche Fassung nicht selbst synchronisiert, deshalb allein deshalb der Originalfassung den Vorzug geben. Die Brillanz der Orson Welles-Inszenierung zeigt sich vor allem in der langen Fassung und in Englisch. Welles ist nicht synchronisierbar! Es gibt den „Director’s Cut“ natürlich auch eingedeutscht, ebenso die beiden anderen Schnittfassungen.
Die Edition von „Touch of Evil/Im Zeichen des Bösen“ aus der Koch-Media-Reihe „Masterpieces of Cinema“ vermittelt einen spannenden Einblick in die Schnitt-Praxis der großen Hollywood-Studios in der Vergangenheit. Dazu gibt es ein beigeheftetes Booklet und einen ausführlichen Bonusteil. Zu haben ist das Ganze für rund 16 Euro.