In den 1970er Jahren ging es der Film-und Kinobranche in Westdeutschland schlecht! Papas Kino war entgültig tot, große internationale Erfolge selten, die volle Säle garantierten. Weder mit den Produktionen der „Nouvelle vague“, noch des „Jungen deutschen Films“ oder „New Hollywoods“ ließen sich die Filmtheater füllen. Es gab Ausnahmen wie „Easy Rider“, aber damit war der Krise nicht Herr zu werden. Aus den Großen Häusern wurde ein Konglomerat kleiner und kleinster Schachtelkinos. Nach dem auch der Italowestern keine kommerziellen Blütenträume mehr erfüllten und sich mit deutschem Schmuddelsex allein kein Kinoprogramm machen ließ, kam frohe Botschaft aus Fernost: Vor allem aus der damaligen britischen Kronkolonie Hongkong wartete ein riesiger Filmpool auf westliche Zuschauer. Der „Eastern“ kam in die westdeutschen Kinos: Trotz unsäglicher Titel und entsprechenden Eindeutschungen fanden sie ein großes Publikum. Allerdings: das Image der „Knochenbrecher & Co“-Filme war miserabel. Inzwischen hat sich die Einschätzung dieser Filme geändert. Es wurde damals nicht nur Schrott vom Fließband produziert. Auch kreative Filmemacher gaben hier dem europäischen und amerikanischen Action-Film wichtige Impulse für die Zukunft. Das zeigen Neu-Editionen, die jetzt auf DVD bzw. Blu-Ray erschienen sind.
Eine Spielfilmhandlung als Aufhänger möglichst vieler und möglichst artistisch choreographierten Kampfsporteinlagen hat im Chinesischen Kino eine lange Tradition. Dem chinesisch-amerikanischen Kampfsportler und Entertainer Bruce Lee ist es zu verdanken, dass das Genre des Wuxa-bzw. Martial-Arts-Films Anfang der 1970er Jahre auch in den USA und Europa populär wurde.
Seit seinem sechsten Lebensjahr stand er vor der Kamera. Mit 20 hatte Lee bereits in 20 Filmen mit gespielt und es zum Kung Fu-Meister gebracht. 1971 kam der internationale Erfolg für Bruce Lee mit der Chinesisch/Thailändischen Koproduktion „The Big Boss“, in dem Regisseur Lo Wei geschickt ein tränenreiches Melodram mit furiosen Auftritten Bruce Lees verknüpfte. Lee hatte am Drehbuch mitgearbeitet und war für die Choreographie verantwortlich.
Natürlich spielte Bruce Lee auch die Hauptrolle: Einen jungen Mann, Cheng, der vom Land in die Stadt kommt und in einer Eisfabrik einen Job findet. Schon bald merkt er, dass es da um mehr als Eis geht.
Hinter der anständigen Fassade wird mit Drogen und Menschen gedealt. Der integere Cheng gerät unversehens in Konflikt mit dem „Big Boss“, der über Leichen geht.
Regisseur Lo Wei nahm sich bei „The Big Boss“ viel Zeit für Lokalkolorit und die Beschwörung der allgemeinen Bedrohung durch das Drogenkartel. Davon war in den bisher gezeigten Versionen des Films nicht mehr viel übrig, die auf der Schnittfassung von 1972 beruhten und um 11 Minuten gegenüber dem Original gekürzt war. Die deutsche Verleihfassung hatte den Titel „Bruce Lee – Die Todesfaust des Cheng Li“. Jetzt präsentiert Universum den Film im Originalzustand auf BR.
Das Schöne an dieser Edition ist nicht nur die meistens makellose technische Qualität, sondern das sie auch über das untertitelte Original in Kantonesisch verfügt. Vor dem Hintergrund der Entwicklung des Action-Films in den letzten 40 Jahren erwartet den Zuschauer ein Schlüsselwerk der Filmgeschichte.
Bereits ein Jahr nach dem Erfolg von „The big Boss“ hatte „Way of he Dragon“ in Hongkong Premiere. Diesmal war Bruce Lee auch noch für die Regie verantwortlich. Als Co-Star hatte er den amerikanischen Karate-Meister Chuck Norris engagiert. Die Übersetzung des kantonesischen Originaltitels lautet übrigens „Der wilde Drache überquert den Fluss“. In den deutschen Kinos hieß der Film „Die Todeskralle schlägt wieder zu“….
Der junge Chinese Tang Lung (Lee) ist auf dem römischen Flughafen angekommen, um einer befreundeten Familie im Kampf gegen die Mafia beizustehen. Originell verbindet Bruce Lee chinesischen und westlich- europäischen Lebensstil mit einander und die unterschiedliche Sicht der Dinge zwischen Gut und Böse:
Auch „The Way oft he Dragon“ ist von makelloser Blu-Ray-Qualität und präsentiert einen neuen Film. Diese Fassung übertrifft selbst die in den 1980er Jahren vom ZDF besorgte Restaurierung, die allerdings auch an der immer noch grobschlächtigen Neu-Synchronisation und optischen Artefakten krankte. Auf der Blu-Ray gibt es die Kino-und die TV-Synchronisationen zum Vergleich sowie das kantonesische Original. Der Nachfolgefilm „Enter the Dragon“ ist vor einiger Zeit in annehmbarer Qualität bei Warner Home Video auf DVD erschienen.
„Enter the Dragon“ in Englisch produziert, machte Lee vollends zu einem internationalen Superstar. Karate und die von Lee selbst kreierte Spielart „Jeet kuno do“ wurden weltweit zur Trendsportart des Jahrzehnts. Als „Enter the Dragon“ noch in der Postproduktion war, begannen bereits die Dreharbeiten zu einem neuen Film, der „Game of Death“ heißen sollte.
Das Drehbuch stammte wieder von Bruce Lee selbst. Es sah vor dem Hintergrund einer Krimi-Handlung einen finalen Kampf der damals weltweit führenden Kampfsportler unterschiedlicher Disziplinen als Höhepunkt vor. Dazu kam es nicht: unter bis heute nicht eindeutig geklärten Umständen starb Bruce Lee bei den Dreharbeiten im Juli 1973 in Hongkong.
Erst 1978 wurde das 1973 gedrehte Material mit Ausschnitten aus anderen Bruce Lee-Filmen kompiliert und als „Bruce Lee – Mein letzter Kampf“ vermarktet. Mit der ursprünglichen Konzeption hat dieser Film nichts mehr zu tun. Zumal erst wesentlich später das Originaldrehbuch in einem Archiv entdeckt wurde. Filmgeschichte hat dieses Konglomerat immerhin durch die Nachwirkung eines Details gemacht: Lee trägt einen knallgelben Trainingsanzug, den Quentin Tarantino in seiner Martial Arts-Hommage „Kill Bill“ zitiert.
Die Blu-Ray-Edition „Mein letzter Kampf“ übernimmt leider den einstigen Etiketten-Schwindel und nennt ihn den „letzten authentischen Film“ Bruce Lees. Da zeigt sich ein Problem der dreiteiligen Kollektion. Sie verfügt über keinerlei Extras, in denen solche Hintergründe erklärt werden könnten.
Der plötzliche Tod Bruce Lees hinterließ eine dramatische Lücke – nicht nur menschlich und künstlerisch, sondern auch kommerziell. Der globale Bedarf nach Action aus China bestand – zumal es dafür weder in Europa noch in Amerika Alternativen gab. Das war die große Stunde für die „Shaw Brothers“, die seit langem in Hongkong mit Martial Arts-Filmen erfolgreich waren. Bisher aber nur den asiatischen Markt bedienten.
Die Firma produzierte in großem Stil und schöpfte dabei aus dem großen chinesischen Mythen-Schatz. Auch diese Filme wurden für den deutschen Markt derart umgeschnitten, dass sie mit den Originalen kaum noch etwas zu tun hatten. Fünf der besten Shaw-Brothers-Produktionen hat Koch-Media auf DVD in einer sehr schönen Sammeledition veröffentlicht. Ein Stück vergessener Filmgeschichte ist hier zu entdecken.
Sie enthält mit „Das Todesduell der Tigerkralle/The death duel“, 1977, Regie: Chu Yuan einen Schlüsselfilm des Genres, den sowohl Ang Lee als auch Zhang Yimou ausführlich zitierten. Das gilt auch für „Das Grabmal des Shaolin/Two Kinds of Heros“, 1978, Regie: Chang Cheh. Der Film war bisher hierzulande nur in einer um 30 Minuten verstümmelten Fassung zu sehen. Ein interessantes Beispiel des Hongkong-Films um 1980 ist „Der Shaolin-Gigant/The Master“, 1980 von Tony Liu Jun Guk. Ein Film des Übergangs, der schräge Versuch einer Martial Arts-Komödie vor historischem Hintergrund.
Als weitere Entdeckung enthält die „Shaw Brothers-Edition als deutsche Premiere „Wang Yu – Der Tempel des roten Lotus“. Zu jedem Film gibt es ausführliches Bonus-Material und als Zugabe bei der auf 2000 Exemplare limitierten Luxusausgabe ein Taschenbuch mit Reprints der deutschen Kinoplakate zu den „Shaw-Brothers“-Filmen.
Die Edition zeigt die Nachwirkungen des Phänomens Bruce Lee ebenso wie den Hintergrund vor dem er so erfolgreich sein konnte. Darüber geben sie die spannende Möglichkeit, nachzuvollziehen, aus welchen Quellen der amerikanische Actionfilm und der chinesische Film der Gegenwart schöpft.
Von der „Shaw Brothers“-Edition von Koch-Media mit fünf Produktionen des Unternehmens in vorzüglicher Qualität gibt es zwei Ausgaben: eine nummerierte Limited-Edition für 42 Euro und die Normalausgabe für 28 Euro. Die neue Blu-Ray- Bruce Lee-Kollektion kostet 35 Euro.