Am Rande der 65. Filmfestspiele von Cannes wurde bekannt, das deutsche Produzenten zu exotischen Ufern aufgebrochen sind und den ersten Film in Saudi Arabien mit Partnern aus dem reichen Öl-und Wüstenstaat realisiert haben. Bemerkenswert über den Umstand allein hinaus ist die Tatsache, das der Film von einer Frau inszeniert wurde und ein durchaus kritisches Thema zum Inhalt hat. An der Kamera der Stuttgarter Kameramann und Dozent an der Filmakademie Baden-Württemberg Lutz Reitemeier.
Mit WADJDA realisieren die Berliner Produzenten Gerhard Meixner und Roman Paul federführend den ersten Spielfilm, der jemals im Königreich Saudi Arabien gedreht wurde. Anfang April fiel die letzte Klappe zu diesem aufsehenerregenden Projekt in der Hauptstadt des Landes, Riad. Wie auch schon mit den Golden Globe Gewinnerfilmen „Paradise Now“ und „Waltz with Bashir“ zeigen Meixner und Paul erneut Mut zu ungewöhnlichen Produktionen im Mittleren Osten und realisierten WADJDA mit deutsch-saudischem Team unter teils schwierigen Bedingungen.In ihrem Debütfilm erzählt die saudische Regisseurin und Drehbuchautorin Haifaa Al Mansour die berührende Geschichte des elfjährigen Mädchens Wadjda, das am Stadtrand von Riad aufwächst und mit Mut und Witz ihre eigenen Träume entgegen strengen Konventionen zu verwirklichen weiß. Der Film zeichnet ein differenziertes und authentisches Bild vom Leben der saudischen Frauen und vermittelt eine einmalige Innenansicht der dortigen Kultur und Gesellschaft. Das visuelle Konzept wurde vom deutschen Kameramann Lutz Reitemeyer gestaltet, der bei der diesjährigen Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde.
„Wir sind stolz darauf, dass es uns gelungen ist, den allerersten Spielfilm in einem Land gedreht zu haben, in dem Kinos verboten sind und Frauen und Männer in der Öffentlichkeit streng voneinander getrennt sind. Viele Kenner der Region waren felsenfest der Meinung, dass wir niemals in diesem konservativen Land einen solchen Film drehen könnten, schon gar nicht an existierenden Orten und dann noch mit einer Regisseurin. Haifaa Al Mansour gebührt hier außerordentlicher Respekt für ihren Mut, ebenso unserem Partner vor Ort, Amr Alkahtani, ohne den die Dreharbeiten so nicht hätten realisiert werden können. Überhaupt danken wir all den vielen Menschen, die den Film hier wie dort so wie die kleine Wadjda mit Mut und Witz tatkräftig unterstützt haben. Durch die Zusammenarbeit haben wir einen umfassenden und positiven Einblick in eine hochkomplexe Gesellschaft in Zeiten des Umbruchs bekommen. Saudi Arabien ist von außen immer noch schwer zugänglich und wird oft sehr einseitig und klischeebeladen in den Medien dargestellt. Wir hoffen, dass sich der Blick auf dieses Land, seine reiche Kultur und seine wunderbaren Menschen durch diesen Film öffnen wird“, betonen die Produzenten Meixner und Paul in einer gestern Abend in Cannes veröffentlichten Pressemitteilung.
Sie produzieren WADJDA mit Razor Film Produktion GmbH in Koproduktion mit Amr Alkhatani von der saudischen Highlook Group und maßgeblicher Unterstützung durch den NDR (Redaktion Christian Granderath), den BR und den saudischen Sender ROTANA. Der mit Mitteln der FFA, MBB, MDM und ILB geförderte Film kommt voraussichtlich im Frühjahr 2013 im Verleih von Koch Media in die deutschen Kinos. Das Projekt wurde mit Unterstützung der Abu Dahbi Film Commission und des Sundance Instituts entwickelt.
…und darum geht es in WADJDA:
Jeden Tag, wenn Wadjda zur Schule geht, führt sie ihr Weg an einem Spielzeuggeschäft vorbei, das ein grünes Fahrrad führt. Jeden Tag schlägt Wajdas Herz höher, denn dieses grüne Fahrrad zu besitzen würde auch bedeuten, sich endlich gegen den Nachbarsjungen Abdullah durchzusetzen und ihm, schnell wie der Wind, davonflitzen zu können. Obwohl es Mädchen untersagt ist Fahrrad zu fahren, heckt Wadjda einen Plan aus, wie sie mit dem heimlichen Verkauf von Mixkassetten und anderen verbotenen Geschäften auf dem Schulhof Geld für das grüne Fahrrad verdienen kann. Doch Wadjdas Geschäfte fliegen auf und es bleibt ihr nur ein letzter Strohhalm: sie muss unbedingt den Koran-Rezitationswettbewerb gewinnen, der mit einem hohen Preisgeld dotiert ist. Mit viel Eifer und Erfindungsgeist kann sich Wadjda in dem schwierigen Wettbewerb gegen ihre Konkurrentinnen durchsetzen. Bei der Preisverleihung aber will sie ehrlich sein und gibt zu, dass sie sich von dem Geld ihren Herzenswunsch erfüllen und das grüne Fahrrad, kaufen möchte. Das ist jedoch gar nicht im Sinne der konservativen Schulleitung, so dass Wadjda die Siegerprämie verwehrt wird. Abgelenkt durch diese große Enttäuschung, ziehen die Probleme ihrer Eltern fast unbemerkt an dem Mädchen vorüber: Weil ihre Mutter keine Kinder mehr bekommen kann, will sich ihr Vater eine zweite Frau nehmen. Auch die verzweifelten Versuche von Wadjdas Mutter, ihn mit ihren weiblichen Reizen davon abzuhalten, bleiben erfolglos. Doch sie ist eben die Mutter ihrer kämpferischen Tochter und so findet sie für beide einen Ausweg in eine selbstbestimmtere Zukunft.
Koch Media bringt WADJDA voraussichtlich im Frühjahr 2013 in die Kinos.