Deutschland 2012
Regie: Inigo Westmeier
Kinostart: 28. Februar 2013
Bruce Lee machte in den 1970er Jahren die chinesische Kampfsportart „Kung Fu“ weltweit populär. Während der Kulturrevolution galt „Kung Fu“ in China als dekadent. Vor allem weil es Mönche waren, die „Kung Fu“ als effektive, da weitgehend waffen-lose Verteidigung gegen Übergriffe der Obrigkeit erfunden hatten. Inzwischen wird der Kampfsport auch in China als Breitensport be-trieben. In der Nachfolge von Bruce Lee lockt die große Karriere. Davon träumen die Schülerinnen in dem Dokumentarfilm „Drachenmädchen“, den der deutsche Regisseur Inigo Westmeier in der chinesischen Provinz gedreht hat.
Gleich in der ersten Einstellung führt der Film mitten in den Alltag der Kampfschule Shaolin Tagou in der zentralchinesischen Provinz Henan. Mit 26 000 Schülern die größte Kung Fu-Schule der Welt. Aus kleinen Anfängen hat sie sich in den letzten Jahrzehnten zur ersten Adresse in Sachen Kung Fu-Ausbildung entwickelt. Der Schule ist inzwischen ein Internat angeschlossen. Eine Art dualer Ausbildung: vor allem für Kinder weniger begüterter Eltern bekommen hier die Chance fürs Leben…
Wer in diese Schule kommt, will was werden: zum Beispiel die neunjährige Xin Chenxi, die Inigo Westmeier in seinem Film „Drachenmädchen“ mit der Kamera begleitet hat.
Wer einmal im Kung-Fu viel will, muss einen hohen Preis bezahlen: gnadenlosen Drill von morgens bis abends sieben Tage die Woche. Wer die Schule schließlich nicht nur im Mittelfeld, sondern an der Spitze übersteht, kann auf eine lukrative Karriere im Profisport oder im Showbusiness hoffen. Darauf hofft auch der Vater von Xin. Nicht alle „Drachenmädchen“ halten dem enormen Leistungsdruck stand. Auch sie geben vor Westmeiers Kamera Auskunft über ihre Beweggründe bzw. enttäuschten Hoffnungen.
Dass es in chinesischen Sportschulen nicht zimperlich zugeht, kann man sich vorstellen. Allein angesichts der Leistungen junger Artisten aus dem Land der aufgehenden Sonne beim Stuttgarter Weltweihnachtszirkus. Noch nie hat ein westlicher Filmemacher vorher Gelegenheit bekommen, die Ausbildungsver-hältnisse in China zu dokumentieren. Das ging natürlich nicht ganz ohne Aufsicht von statten. Sowohl die staatliche Zensur, als auch die Schule achtete genau darauf, was der Regisseur aus dem fernen Deutschland da filmte…
Erstaunlich, dass aus „Drachenmädchen“ dennoch ein differenzierter Film mit kritischem Blickwinkel geworden ist. Allerdings wird hier niemand vorgeführt und ein System nicht wohlfeil an den Pranger gestellt wird; vielmehr gibt Inigo Westmeier einen Einblick in die chinesische Gesellschaft im Umbruch. Wobei sich lange verpönte Traditionen – wie die der Shaolin-Mönche und der von ihnen inspirierte Kampfsport Kung Fu – zum Rüstzeug für eine moderne Leistungsgesellschaft benutzt wird. „Drachenmädchen“ ein außergewöhnlich spannender und dabei menschlich berührender Einblick in eine fremde Welt….