Originaltitel: “ La vierge, les coptes et moi“
Ägypten/Frankreich/Katar 2012
Regie: Namir Abdel Messeeh
Kinostart: 13. Juni 2013
Ägypten als Filmland war in der Bundesrepublik bis vor Kurzem noch weitgehend unbekannt. Das hat sich nach den dramatischen gesellschaftspolitischen Entwicklungen der letzten Zeit entscheidend geändert. Jetzt kommen auch ägyptische Filme in unsere Kinos. Zum Beispiel in dieser Woche „Die Jungfrau, die Kopten und ich“. Der 1974 geborene Regisseur Namir Abdel Messeh hat in Paris Film studiert. Mit seinem Debut wagte er sich gleich an ein heikles Thema: den Alltag der christlichen Minderheit in Ägypten – der Kopten – ihre Beziehung zur muslimischen Umgebung und die der Kopten in der europäischen Diaspora zur Heimat am Nil. Das Ganze als Dokumentarfilm mit Humor…
Die Familie des Regisseurs Namir Abdel Messeeh gehört zur Glaubensgemeinschaft der Kopten und lebt seit Jahrzehnten in Paris. Die ägyptische Heimat ist fern, vor allem für die inzwischen erwachsenen Kinder. Da geschieht Unerhörtes! Namirs Mutter hat auf einem frommen ägyptischen Video eine Erscheinung der Jungfrau Maria gesehen.
Bei aller Liebe, der Rest der Familie, auch Namir, können auf dem Video nichts, aber auch gar nichts, entdecken, das nach einer Marienerscheinung aussieht. Das führt zu einem ernsten innerfamiliären Diskurs.
Nachdem Religion bisher nie ein Thema war bringt der innerfamiliäre Diskurs über den wahren Glauben Regisseur Namir Abdel Messeeh auf eine Idee: Er wird nach Ägypten reisen und einen Dokumentarfilm über die Glaubenspraxis der Kopten drehen – vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen im Land am Nil am Vorabend einer Revolution. Es ist für ihn eine Reise in die Vergangenheit und die ihm fremde Glaubenswelt seiner Mutter. Von der Idee bis zur Verwirklichung des ausgefallenen Filmprojekts muss Namir Abdel Messeeh erst noch einen steinigen Weg zurück legen. Seine Eltern mischen sich mehr ein, als ihm lieb ist, der Produzent hat eigene Vorstellungen von dem Projekt und schließlich erwarten den jungen Regisseur jede Menge Überraschungen in Ägypten selbst.
Namir Abdel Messeeh hat mit „Die Jungfrau, die Kopten und ich“ einen autobiographischen Dokumentarfilm gedreht. Aber nur auf den ersten Blick! Je länger der Film dauert, desto mehr entwickelt er sich zu einer hinreißenden Satire mit einem ganz eigenen trockenen Humor. Das Schöne dabei, es wird niemand lächerlich gemacht. Eine Wirklichkeit, die mit ihrem Wunderglauben gelegentlich ans Absurde grenzt, stellt der Regisseur auf den Prüfstand. Zur Affinität zwischen Religion und Film sagt er:
„Sowohl Religion als auch Film bauen auf einen absoluten Glauben. Für mich ein Mysterium: Im Kino vergessen die Menschen, dass sie nur Bilder sehen, die auf eine weiße Wand projiziert werden und sind davon tief berührt. Bei der Religion ist es genauso. Da glauben wir einfach an Wunder und Erlösung.“
Ebenso geht es Messeeh mit der Beziehung zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Da verschwimmen manchmal die Grenzen. Charmant verbindet er in seinem Film so dokumentarische Aufnahmen mit nachinszenierten Szenen. Wie sagte schon der „Alte Fritz“: Jeder möge nach seiner Fasson selig werden: Dieser Empfehlung gibt Messeeh in einem Film voller Menschlichkeit eine aktuelle Dimension und verbindet sie zugleich mit einem beherzten Appell an die Vernunft. Die Hoffnung auf ein Wunder kann dabei nicht schaden! Und es wäre zwar ein Wunder, wenn dieser Film, in Orginalfassung mit deutschen Untertiteln, Massen von Zuschauern anzieht. Aber zu wünschen wäre es: „Die Jungfrau, die Kopten und ich“ bietet eine selten gelungene Mischung aus geistreichem Inhalt und einem besonderen Bildwitz in der äußeren Form. Dabei kommt es gar nicht darauf an, wie schnell man mitlesen kann….