Deutschland 2012
Produktion: SWR/Degeto/BR/ORF/Bavaria
Regie: Jo Baier
Mit August Zirner, Heike Makatsch, Herbert Knaup, Margarita Broich, Oliver Stokowski, Annette Paulmann
Erstsendung: 2. Mai 2012/ARD
Hermann Hesse hat zu Lebzeiten nicht viel vom Film gehalten und die Verfilmung seiner Texte konsequent verweigert. Zu recht, wenn man die amerikanischen Adaptionen von „Siddharta“ und „Steppenwolf“ aus den 70er Jahren betrachtet. Der schwül bis schwulstige – vor Ort in Indien gedrehte – „Siddharta“ (Regie: Conrad Rooks, mit Shashi Kapor) kommt zum 50. Todestag des Dichters demnächst wieder auf die deutschen Leinwände. Vorher hat sich das Deutsche Fernsehen – übrigens zum ersten Mal – Hesses angenommen und sendet am 2. Mai zur besten Sendezeit die Verfilmung der relativ unbekannten Erzählung des Meisters „Die Heimkehr“ um 20.15 Uhr. Mit bewährten Kräften ist sie von Jo Baier –vor der Kulisse von Schwäbisch Gmünd und Schwäbisch Hall – gediegen filmisch eingerichtet worden.
Vor über 30 Jahren hat der strenge Vater den Sohn wegen einer Jugendsünde aus dem Haus gewiesen. Jetzt ist August Staudenmeyer (August Zirner) zurück in seiner schwäbischen Heimatstadt Gerbersau. Er hat in Amerika und Russland sein Glück gemacht und ist ein reicher Mann. Entsprechend wird der weit gereiste Gast von den Honoratioren der Stadt hofiert.
Da schwingt auch eine gehörige Portion Neid mit: August würde trotzdem gerne sein Vermögen in Gerbersau investieren. Eine leer stehende Spinnerei käme da gelegen. Doch die gehört einer Witwe Entriß (Heike Makatsch), bzw. ihrer geistig behinderten Schwägerin (Annette Paulmann).
Als Staudenmeyer (der in der Vorlage August Schlotterbeck heißt) hinter die gesellschaftliche Fassade blickt, zeigt sich ihm der wahre Charakter der Gerbersauer: borniert, bigott und selbstgerecht. Eine geschlossene Gesellschaft, die Individualisten wie Frau Entriß, den gescheiterten Maler Herrmann Mohr ( Oliver Stokowski) und bald auch August Studenmeyer selbst rigoros ausgrenzt. Besonders fies, dabei passabel schwäbisch sprechend: der von Herbert Knaup verkörperte Bürgermeister. Der steigt Frau Endriß nach, während die frustrierte Gattin (Margarita Broich) dem Schampus zuspricht und schließlich die Holzbeuge am Endriß’schen Anwesen entflammt. Das hat ernste Folgen für die arme behinderte Schwägerin von Frau Endriß…
In der stillen Frau Entriß, die ihren Garten liebevoll pflegt, findet August Staudenmeyer eine verwandte Seele, mit der er schließlich das Weite sucht – aus dem schwäbischen Mief.
Zumindest die Quintessenz der „Heimkehr-Verfilmung ist der junge Hermann Hesse pur, als er noch nicht altersweise „heiter Raum um Raum durchschritt“. Jo Baier kann für sich in Anspruch nehmen, aus Hesses früher Erzählung einen prallen Fernsehfilm in bester deutscher TV-Manier hergestellt zu haben, der offenbar den Weltmarkt im Blick hat: Der Hesse-Fan Udo Lindenberg hat dafür nämlich extra einen Song komponiert – in Englisch: „The River“….
Das knapp 70seitige Werk „Die Heimkehr“ ist eine unversöhnliche Abrechnung mit Calw, dem ungeliebten Geburtsort des Dichters. Zum ersten Mal 1909 in der „Neuen Rundschau“ erschienen. In Hesses Gerbersau kommt Frau Entriß nur am Rande vor, es gibt auch keinen Intellektuellen wie Hermann Mohr und keinen Bürgermeister mit Casanova-Ambitionen. Die hat Bayer dazu erfunden, um das garstige Bild der Provinz bei Hesse etwas aufzuhellen und das Ganze dramaturgisch aufzupolstern. Mohr wird von Oliver Stokowski ebenfalls eindrucksvoll gespielt.
Es sind überhaupt die Schauspieler, die die Qualität der „Heimkehr“-Verfilmung ausmachen. Jenseits aller Plattitüden geben nicht nur die Hauptdarsteller Makatsch und Zirner ihren Figuren Profil, sondern das gesamte Ensemble. Der größte Verdienst dieses Films ist es allerdings, das er mit „Die Heimkehr“ ein kleines Meisterwerk Hermann Hesses wieder entdeckt hat. Die Erzählung wurde eben von Suhrkamp für wohlfeile fünf Euro neu aufgelegt. Sie macht Lust, Hesse neu oder wieder zu lesen!