Deutschland 2012
Regie: Fred R. Willitzkat
Kinostart: 13. Dezember 2012
Ein Kapitel Alltagkultur der DDR, der im Westen auch heute noch ein „weißer Fleck“ ist, gilt es zu entdecken: die Fotografie im „real existierenden Sozialismus“. Ihr populärster Vertreter war Günter Rössler. Er bestimmte mit seinen Fotos für die Modezeitschriften „Sybille“ und „Modische Maschen“ wesentlich das Selbstverständnis seiner ostdeutschen Leserinnen. International bekannt machte Rössler aber die diskrete Erotik seiner Aktaufnahmen. 1984 hat ihm sogar der westdeutsche „Playboy“ eine zehnseitige Bilderstrecke gewidmet. „Die Genialität des Augenblicks – Der Fotograf Günter Rössler“ heißt der Dokumentarfilm von Fred R. Willitzkat über den heute 86jährigen Künstler, der häufig als „Helmut Newton des Ostens“ bezeichnet wird.
Günter Rössler ist immer noch aktiv. Seine Spezialität: schöne Frauen in Schwarz-weiß, selbstbewusst in einem nonverbalen Dialog mit der Kamera. Kirsten Schlegel wurde von Rössler entdeckt, als sie noch ein Teenager war. Inzwischen sind die beiden seit Langem verheiratet. In „Die Genialität des Augenblicks“ erzählt sie nüchtern von ihren Erfahrungen als Aktmodell bei Rössler.
Im Gegensatz zu vielen westlichen Aktfotografien ist eine besondere Sensibilität in den Aufnahmen Rösslers immer spürbar. Da ist nicht der Hauch von Voyeurismus. Die Bilder bestimmt eine ganz eigene Selbstverständlichkeit. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass in der DDR der nackte Körper längst nicht derart tabuisiert war wie in der prüden westdeutschen Nachkriegsgesellschaft.
Fred R. Willitzkat nähert sich in seinem Dokumentarfilm der Kunst des Günter Rössler vor allem über die Frauen, die mit ihm gearbeitet haben und die durch seine Bilder zu Ikonen der DDR-Alltagskultur geworden sind. Zum Beispiel Barbara Wandelt, in jungen Jahren eines der bekanntesten ostdeutschen Fotomodells.
Ganz wie es dem Meister gebührt, lässt Willtzkat natürlich Günter Rössler selbst zu Wort kommen – zurückhaltend, aber offen für spontane Momente:
Günter Rössler ging zu DDR-Zeiten ganz und gar in seinem Beruf auf. War in seiner Profession ein Star, dem die Machthaber sogar die devisenbringende Mitarbeit beim kapitalistischen „Playboy“ erlaubten. Weg wollte er deshalb nie…
Sein Rang als einer der einflussreichsten Fotografen der Gegenwart steht fest: einer der die „Genialität des Augenblick“ beim Fotografieren virtuos beherrscht. Der Titel des schönen Dokumentarfilms ist also Programm. Außerdem gibt er angenehm beiläufig Einblick eine Kunstszene der DDR, die hier im Westen kaum bekannt ist: Etwas Besonderes auf dem vorweihnachtlichen cineastischen Gabentisch – jenseits von Glühwein und den „Hobbits“….
Im Berliner Jaron Verlag ist in diesem Herbst der Bildband „Günter Rössler: Starke Frauen im Osten. Fotografien 1964 bis 2009 erschienen (Broschur, 120 Seiten, 137 Fotos im Duplexdruck, € 19. 99). In ihrem Vorwort schreibt Uta Kolano über Rösslers Frauen:
„ Sie blicken selbstbewusst- und manchmal scheinbar selbstvergessen – in die Kamera oder einfach in die Welt hinein. Sie sind sich ihrer gewiss. Günter Rösslers Frauen wissen, dass sie jung und schön sind. Aber das ist nicht wichtig. Ihre Schönheit gehört zu ihnen, sie stellen sie jedoch nicht heraus. Rösslers Frauen sind ganz bei sich. Und das sieht man.“
Film und Buch ergänzen sich. Den Bildband gibt es übrigens auch in einer exquisiten bibliophilen Ausgabe mit dem signierten und nummerierten Handabzug eines Fotos. Das Ganze auf 50 Exemplare limitiert. Kostenpunkt: 298 €. Ein Weihnachtsgeschenk für den Liebhaber, der schon alles hat…