Deutschland 2009
Regie: Andreas Arnstadt
Mit André M. Hennicke, Steffi Kühnert, Oskar Bökelmann, Mathieu Carriere
Kinostart: 30. September 2010 (Drei Freunde/Kinostar)
Ein Film zur gegenwärtigen Hartz IV-Debatte: bereits vor seinem Kinostart an diesem Donnerstag sorgte „Die Entbehrlichen“ von Andreas Arnstedt für Aufsehen. Mit mehreren Preisen ausgezeichnet geht es um die Innenansicht einer Familie am unteren Ende der sozialen Leiter. Die Reaktion bei der Berliner Polit-Prominenz quer durch alle Parteien und die Medien ist groß – sogar Anne Will beschäftigte sich in ihrer Polit-Show mit „Die Entbehrlichen“.
Noch gelingt es Familie Weiss, die bürgerliche Fassade aufrecht zu halten. Doch dahinter bahnt sich bereits eine Katastrophe an: Vater Jürgen hat als Langzeitarbeitsloser seine Kraft verbraucht, um den sozialen Abstieg weiter zu verhindern. Mutter Silke kommt allein gegen die materielle Not nicht an und trinkt. Der 12jährige Sohn Jacob muss hilflos zum ansehen, wie mit der Hoffnungslosigkeit die Frustrationstoleranz der Eltern fällt und der Aggressionspegel steigt.
Im Laufe einer Auseinandersetzung, die sich aus einem harmlosen Zwist entwickelt, wird der Mann handgreiflich und verletzt seine Frau derart, dass der Not-arzt kommen muss. Damit ist der letzte Damm gebrochen. Jürgen Weiss versucht noch einmal Scham, Wut und Hilflosigkeit hinter großspurigem Gehabe vor seinem Sohn zu verstecken. Trotzdem fehlt Jacob das Geld für die Klassenfahrt fehlt. Er kaschiert das Manko mit einer Notlüge vor der Lehrerin. Auch sonst lässt der Junge nichts unversucht, um die familiäre Not nicht öffentlich werden zu lassen.
Selbst gegenüber der Mutter, die inzwischen in der Psychiatrie behandelt wird und der besorgten, aber hilflosen Oma, gelingt es Jacob, das Bild einer einigermaßen intakten häuslichen Zweisamkeit mit dem Vater aufrecht zu erhalten.
Doch der hat das Leben nicht mehr ausgehalten und sich umgebracht. Aus Scham und der Angst in ein Heim zu müssen, versteckt Jacob die Leiche im Wohnzimmer.
Keine leichte Kost mutet Regisseur Andreas Arnstedt mit seinem Debut „Die Entbehrlichen“ dem Publikum zu. In seiner, in exakt kalkulierte Rückblenden zerlegten Tragödie einer Hartz IV-Wirklichkeit gibt es keinen Hoffnungsschimmer.
Konsequent behält der Regisseur von Anfang bis Ende die kindliche Perspektive Jacobs bei. Zeigt die Energie des Jungen, mit der er den Untergang der Familie zu verhindern sucht; zum Beispiel seine Bemühen, die Abgründe zwischen den Eltern zu überbrücken und schließlich den Tod des Vaters zu vertuschen.
Noch nie wurde Kinderarmut in einem deutschen Film so vorbehaltlos gezeigt. Der Titel „Die Entbehrlichen“ ist gleichzeitig sein bitteres Fazit. Virtuos inszeniert und mit vorzüglichen Schauspielern wie André Hennicke, Steffi Kühnert und dem Nachwuchstalent Oskar Bökelmann besetzt, gelang Andreas Arnstedt auf der Basis eines authentischen Falls eine beklemmende Beschreibung vom Rand der bundesdeutschen Wirklichkeit.