Ende letzter Woche hatten wir es Schwarz auf Weiß gleich morgens in der Zeitung: die Züge der Deutschen Bahn haben Klimaprobleme, wenn das Thermometer über 32 Grad Außentemperatur steigt. Auch sonst klappt es bei der Bahn nicht immer so, wie es klappen sollte. Das muss uns nicht weiter beunruhigen – ein Blick in die Filmgeschichte belehrt uns, dass da viel Schlimmeres vorgekommen ist, als kollabierende Schulmädchen in einem überhitzten ICE. Dazu ein Blick ins aktuelle DVD-Angebot.
Der Bahn-Reisende im Wilden Westen konnte im Gegensatz zu Heute die Fenster öffnen. Dann musste er aber damit rechnen, von den Pfeilen wütender Anrainer, d.h. Indianer getroffen zu werden. Ihnen waren in der Regel bereits der Heizer und der freundliche Zugbegleiter zum Opfer gefallen. Der Besitzer der Bahnunternehmen ist meistens korrupt und derart mit seinen schmutzigen Geschäften beschätigt, dass ihm die Zeit für die Sorgen und Nöte der Bahnkunden fehlt. So in Sergio Leones „Spiel mir das Lied vom Tod“:
Neben dem stummen Mann mit der Mundharmonika scheint der gelähmte Eisenbahn-Tycoon Mr. Morton im Moment noch der beste Kunde seiner im Entstehen begriffenen Bahnlinie zu sein. Er reist von einer Großbaustelle zur Anderen. Stuttgart 21 ist da nichts dagegen! Dabei kommt er schließlich unter die Räder, weil er sich mit niederem Gesindel eingelassen hat:
Besser wurde die Dialektik zwischen Hitze und Eisenbahn im Film bisher nicht festgehalten, als in „Spiel mir das Lied vom Tod“. Auf DVD in einer 2-Disc-Edition von Pramount zu haben. Auf dem Laptop während einer langen ICE-Fahrt im Sommer gibt es nichts Besseres, um sich über die Temperatur zu trösten!
Nur am Rande, aber trotzdem eine wesentliche Rolle spielt die Eisenbahn in Fred Zinnemanns Klassiker „Zwölf Uhr mittags“. Leone hat die Ankunft der Gangster am Schluss im Übrigen genial für „Spiel mir das Lied vom Tod“ geklaut. Unangenehm fallen übrigens in vielen Western im Zug mitreisende Ganoven auf. Es besteht zwar die Aussicht, dass sie an der Endstation vom Sheriff in Gewahrsam genommen werden, aber sicher ist das nicht. Die Beispiele „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „High noon“ zeigen, das dem Gesetzeshüter nicht nur die Mittagshitze, sondern auch Eheprobleme und Personalmangel zu schaffen machen. Auch „Zwölf Uhr mittags“ gibt es in einer edlen 2-Disc-Edition und zwar in der „Premium“-Reihe von Arthaus/Kinowelt.
Gangster und Bahn bilden ein eigenes Kapitel in der Filmgeschichte. Wobei die bösen Buben meistens auf der Strecke bleiben. Eines der interessantesten Beispiele dafür ist „Runnaway Train/Express in die Hölle“ von Andrej Konschalowski von 1985. Zwei Lebenslängliche sind aus dem Gefängnis ausgebrochen und haben sich auf der Lok eines Güterzuges versteckt. Leider ist ihnen entgangen, dass der Lokführer einen Herzanfall erlitten hat und sich der Zug führerlos in Bewegung setzt. Da auch Zugfahren gelernt sein will, kommen die beiden Männer bald in arge Bedrängnis:
„Runnawy Train“ ist ein perfekter Thriller und dient dabei allen, die davon träumen einmal Lokführer sein zu dürfen, eines Besseren. Eine Diesellok ist schwer zu bändigen!
Seit Jahren auf einer schmucklosen DVD erhältlich, lohnt es sich inzwischen in den Ramschkisten der Elektronikmärkte nach dem „Express in die Hölle“ zu suchen.
Nicht nur die Technik, sondern auch winterliche Minusgrade machen den Ausbrechern in „Runnaway Train“ zu schaffen. Womit der Güterzug selbst, auf dem sie führerlos unterwegs sind, an sich keine Probleme hat. Im Gegensatz zur Cargo-Sparte können sich niedrige Temperaturen auf den filmischen Personennah- und vor allem Fernverkehr allerdings verhängnisvoll auswirken – also wie im wirklichen Leben.
In den 1920er Jahren verhinderte auf dem Balkan im Winter nicht nur eine Schneewehe den Zugverkehr. In der ersten Klasse des Orient-Express‘ ist auf der Fahrt von Istanbul nach Calais außerdem ein reicher Bahnkunde ums Leben gekommen. Gewissermaßen unter den Augen des Bahn-Chefs und eines berühmten Privatdetektiv, die ebenfalls mitgefahren sind: Das hat sich Agatha Christies für „Mord im Orientexpress“ ausgedacht, nach dem sie selbst mehrfach mit der Eisenbahn zwischen London und Istanbul unterwegs gewesen ist. 1974 hat Sidney Lumet ihren Roman mit großem Staraufgebot verfilmt:
Mord im Zug und Schnee auf den Gleisen dürfte auch noch heute bei der Deutsche Bahn zu beträchtlicher Überforderung führen – insofern gehört auch dieser Klassiker ins Reisegepäck! Damit man sich im Zweifelsfall auf eigene Faust an Hercule Poirots Finessen orientieren kann.
Den Film gibt es gleich in mehreren Ausgaben von Kinowelt. Eine besondere Abneigung gegenüber Bahnreisen hatte Alfred Hitchcock. Immer wieder nahm er Zugfahrten deshalb zum Anlass für schreckliche Ereignisse. In der „Fremde im Zug“ heckt zum Beispiel eine kranke Seele einen schauerlichen Mordplan aus.
Einige Jahre vorher – 1938 – sagt der Titel des Hitchcock-Films bereits um was es geht: „The Lady vanishes/Eine Dame verschwindet“. Wieder einmal hat Schnee den Zugverkehr auf dem Balkan zum Stillstand gebracht. Plötzlich ist die von den Mitreisenden hochgeschätzte ältere Dame weg. Abgründe tun sich auf. Dieser wunderbare Eisenbahn-Film aus Hitchcocks englischer Periode ist zur Zeit nur von einem Billiglabel, dafür aber wohlfeil zu haben.
Ein besonderes und wenig erfreuliches Kapitel ist auch die Eisenbahn im Krieg. Das Spektrum reicht von Lanzmanns „Shoah“ über „Der Zug“ und dem „Zug zum Himmel“ bis zu „Die Brücke am Kwai“ von David Lean. Gedreht 1957 nach einer wahren Begebenheit aus dem Zweiten Weltkrieg: Japaner zwangen völkerrechtswidrig englische Gefangene im Dschungel von Burma zum Bau einer Eisenbahnlinie und einer Brücke. Der Film war ein Hit und ist für seinen spektakulären Schluss berühmt.
Als die bemerkenswerte Holzkonstruktion eben fertig ist, wird sie bei einem Aufstand der Gefangenen in die Luft gesprengt
Bei dem Absturz der „Brücke am Kwai“ wird auch ein voll besetzter Zug der Regionalbahn mit in die Tiefe gerissen. Über das Schicksal der ahnungslosen Reisenden ist nichts überliefert. Auch nicht in der mit umfangreichen Extras ausgestatteten 2-Disc- DVD-Edition von Sony.
Das Bahnreisen von jeher als besonders familienfreundlich gilt, darf nicht unerwähnt bleiben: die Filmgeschichte kennt jedoch zahllose Beispiele wie daraus ein wahres Feuerwerk familiären Leidens werden kann. Bei Stan Laurel & Oliver Hardy und vielen anderen….
Schlimmes erwartete Bahnkunden auch, wenn die Marx Brothers mit im Zug saßen. Da konnte es schon einmal vorkommen, dass von den Wagons am Zielbahnhof nicht mehr viel übrig war. Entsprechend derangierten sie die Mitreisenden.
Ein Blick in die Filmgeschichte sollte also ausreichten, um das Klagen über ICE-Klimaanlagen, die bei 32 Grad Außentemperatur streiken, sofort einzustellen. Die Preise der erwähnten DVD-Editionen entsprechen in etwa den DB-Tarifen im Nahverkehrsbereich….