Es gibt Veranstaltungen, die wollen partout nicht zu Potte kommen: dazu gehört der „Deutsche Fernsehpreis“. Die ganze Welt deutscher TV-Herrlichkeit soll damit gewürdigt werden – vom klassischen Fernsehspiel bis zur schlicht gestrickten Telenovela.
Die Auszeichnungen wollten die „Stifter“ des Preises auch nicht heimlich still und leise im Verborgenen den glücklichen Gewinnern überreichen, sondern auf offenem Markte – d. h. in einer Live-Sendung im Hauptabendprogramm.
Da nach bisherigem Modus ziemlich viele Preisträger zum Zuge kommen mussten – erlahmte der Spannungsbogen und damit die Akzeptanz durch das Publikum. Die Quote versank im Nirvana. Da entschlossen sich die Verantwortlichen für den Deutschen Fernsehpreis zu einer Reform: Am Samstag hatte die Verleihung des „reformierten“ „Deutsche Fernsehpreises“ in Köln Premiere.
Wenn sich die ARD, das ZDF, RTL und SAT 1 zu gemeinsamem Handeln verständigen, will das was heißen: „Das neue System des ‚Deutschen Fernsehpreises‘ stellt den Werk- und Teamgedanken des Fernsehschaffens in den Vordergrund“, teilten die Stifterväter und –mütter bereits im Sommer mit. Das klang harmlos, hatte es aber in sich: persönliche Auszeichnungen für Regie, Drehbuch, Kamera oder Musik wurden abgeschafft. Nur noch der/die „Beste Darsteller(in)“soll künftig einen „Deutschen Filmpreis“ ganz für sich allein bekommen. Statt dessen werden„Besondere Leistungen“ eines Teams oder Ensembles mit einem „Deutschen Fernsehpreis“ en bloc gewürdigt.
Verständliche Empörung gerade bei den Berufsgruppen wie Schnitt oder Kamera, deren Leistungen bei einer Produktion zwar wesentlich, die aber notorisch übersehen werden: In einer Pressemitteilung brachte Jörg Evers, der Präsident des „Deutschen Komponistenverbandes“ die Kritik diverser Fachverbände an der neuen Regelung auf den Punkt:
„Wir sind bestürzt über die Entscheidung der Stifter des Deutschen Fernsehpreises. Es wäre an der Zeit gewesen, den umgekehrten Schritt zu gehen und Autoren und Kreative viel stärker ins Zentrum des Fernsehpreises zu rücken, um so auch dem Publikum einen Eindruck von der bemerkenswerten Qualität vieler Einzelleistungen zu vermitteln. Nun müssen wir uns fragen, inwiefern die Verantwortlichen selbst eigentlich Umgang und Bedingungen dieser Leistungen zu würdigen wissen.“
Zusammen mit dem „Composer Club“ und „mediamusic“ wird der DKV im November einen eigenen „Deutschen Fernsehmusikpreis“ ausloben. Andere Fachverbände planen ebenfalls Gegenveranstaltungen zum „Deutschen Fernsehpreis“ und drohen mit Boykott.
Bei der Reform des „Deutschen Fernsehpreises“ war also der Elefant im Porzellanladen unterwegs. Mit der Eintrübung des Branchen-Klimas in der deutschen Medienbranche.
Sie und die Desaster bei der Verleihung des Deutschen Fernseh-preises in der Vergangenheit haben die Verantwortlichen bewogen in diesem Jahr auf eine Live-Sendung am Samstagabend zu verzichten und am Sonntag als Aufzeichnung an Stelle von Anne Wills Gute Nacht-Sendung ausgestrahlt.
Sandra Maischberger und der Witzbold Kurt Kröner hatten die undankbare Aufgabe, eine Gala zu moderieren, bei der allgemeiner Missmut in der Luft lag und im Parkett diverse Plätze unbesetzt blieben.
Da konnte auch der mehrfach prämierte Stefan Raab mit seinem Maskottchen Lena nicht verhindern, das die Veranstaltung ebenso mühselig über die Runden holperte, wie Boxer Klitschko seine Ansage vom Teleprompter ablas.
Nach dem neuen Reglement wuselten dann bei den einzelnen Preisen ganze Heerscharen irritierter Mitwirkender auf die Bühne – bemüht, die Peinlichkeiten in Grenzen zu halten. Fürchterlich Maischbergers Versuch eines Interviews mit den Förderpreisträgerinnen Michelle Barthel und Carolyn Genzkow.
Besonders aufschlussreich zu geriet vor dem allgemeinen Hintergrund die Preisverleihung an den, bereits bei der diesjährigen „Berlinale“ hochgelobten und vom SWR koproduzierten Mafia-Zehnteiler „Im Angesicht des Verbrechens“(„Bester Mehrteiler“, „Besondere Leistung Fiktion für das Schauspieler-Ensemble“): Regisseur Dominik Graf fehlte in Köln, der Film gilt als sein ganz persönliches Meisterwerk… Drehbuchautor Rolf Basedow rang nach passenden Worten, um den Eklat nicht ganz und gar offenbar werden zu lassen.
Kurzum: so geht es auch nicht! Da schrumpft die Kür von Christoph Bach („Dutschke“) und Ulrike Kriener („Klimawechsel“) zum besten Darsteller/Darstellerin und ein „Tatort“ als bestem Fernsehspiel zum plumpen Alibi.
Die „Stifter“ werden an einer weiteren, diesmal vielleicht an den Bedürfnissen der Branche orientierten, Reform des „Deutschen Fernsehpreises“ nicht vorbei kommen. Zu allererst haben sie jetzt aber alle Hände voll zu tun, um den Schaden im Porzellanladen zu begrenzen…