Volker Schlöndorff ist der einzige deutsche Filmregisseur, der sich seit Jahrzehnten intensiv mit den schwierigen Kapiteln im deutsch-französischen Verhältnis beschäftigt. Er verfilmte Tourniers umstrittenen Roman „Erlkönig“ ebenso wie er sich mit der Rolle des Schriftstellers Ernst Jünger im von den Deutschen okkupierten Frankreich auseinandersetzte. Während des Zweiten Weltkriegs in Paris spielt auch Schlöndorffs neuer Film „Diplomatie“, der heute Abend im Rahmen der Berliner Filmfestspiele uraufgeführt wird.
„Brennt Paris?“ lässt Adolf Hitler am 24. August 1944 bei General Dietrich von Choltitz nachfragen, dem letzten deutschen Stadtkommandanten von Groß-Paris. „Brennt Paris?“ ist auch der Titel eines aufwändigen Historienfilms von 1966, in dem Gerd Fröbe von Choltitz verkörpert. Seitdem ist dieses brisante Kapitel in der deutsch-französischen Geschichte fast in Vergessenheit geraten. Ebenso wie die schillernde Persönlichkeit des Generals von Choltitz. Er hat zwar die von Hitler angeordnete Zerstörung von Paris verhindert, setzte aber drei Jahre vorher den Massenmord an der jüdischen Bevölkerung in der russischen Stadt Sewastopol skrupellos durch. In seiner 1951 erschienen weißwäscher Autobiographie nennt sich der Offizier „Soldat unter Soldaten“.
Jetzt also zum Thema „Brennt Paris?“ die deutsch-französische Koproduktion „Diplomatie“. Volker Schlöndorff hat seinen Film nach dem in Frankreich erfolgreichen gleichnamigen Theaterstück von Cyril Gély gedreht, der auch am Drehbuch beteiligt ist. Auch Schlöndorff betont, die eigentlichen Beweggründe von Choltitz den Führerbefehl zu verweigern, liegen nach wie vor im Dunkeln.
„Diplomatie“ spielt in der Nacht von 24. auf 25. August 1944: Von Cholditz bekommt Besuch von einem schwedischen Konsul, der ihn beschwört, die Zerstörung von Paris zu verhindern. Er macht ihm die persönlichen Konsequenzen klar, wenn er sich mit einem weiteren Kriegsverbrechen belasten würde. Gespielt wird von Choltitz von dem französischen Theater-Star Niels Arestrup, der dazu sagt:
„Ich habe die Rolle ohne größere Gefühle gespielt. Wir Schauspieler sind da ein bisschen wie Chirurgen, wir legen bloß, sehen genau hin und versuchen den Befund zu vermitteln. In diesem Fall ging es mir darum, die Motivation des Generals offen zu legen – und das mit derselben Leidenschaft, mit der ich alle meine Rollen spiele…“
Die enormen schauspielerischen Leistungen von Niels Arestrup und André Dussollier als fiktivem Konsul kommt der große Verdienst zu durch ihre Kunst, den Konflikt zwischen Pflicht und Neigung, Brutalität und Humanität bezwingend transparent zu machen. Schlöndorff cineastisches Können lässt schließlich aus „Diplomatie“ einen Film werden, der als solcher auch auf der Leinwand wirkt. Also mehr ist als ein abgefilmtes Theaterstück. Und vor allem: er weckt Interesse an einem weiteren Kapitel der Geschichte des Nationalsozialismus, das sowohl in Deutschland als auch in Frankreich unter den Teppich gekehrt wurde. Mehr kann man von einem Film nicht erwarten!