Le père de mes enfants – Frankreich 2008
Regie: Mia Hansen-Love
Mit Chiara Caselli, Louis-Do de Lencquesaing
Start: 20. Mai 2010
Die Profession des Filmproduzenten ist ein Risikoberuf. Dabei geht es nicht um Glamour, sondern um Geld. Der Produzent muss bei Banken und staatlichen Förderinstanzen mit dem Klingelbeutel anstehen und dabei allzeit auf mehr oder weniger große Überraschungen gefasst sein. Als eine Art Impressario wird vom Produzenten erwartet, ein großes Team möglichst unauffällig zu führen. Das besteht nämlich aus sensiblen, höchst verletzlichen Naturen – vom Regisseur bis zum letzten Kabelträger. Ein falsches Wort zur falschen Zeit kann Tragödien auslösen – und das bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das Budget – kostet also wieder Geld.
Der Produzent hat möglichst allzeit gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Hinzunehmen, dass der Regisseur ohne Absprache, den Drehort wechselt, ein Mitarbeiter sich auf dem Set umbringt oder eine Delegation aus Südkorea nicht aus acht, sondern aus sechzehn Mitgliedern besteht, um eine Koproduktion vorzubereiten.
Das ist der Alltag von Grégoire Canval (Louis-Do de Lencquesaing) in „Der Vater meiner Kinder“. Der renommierte Produzent steckt gerade in schwierigen Dreharbeiten zum neuen Werk eines exzentrischen skandinavischen Regisseurs. Ihm läuft die Zeit und das Budget davon. Die Banken werden unruhig, im Team herrscht schlechte Stimmung. Zu allem Überfluss muss Grégoire seinen Führerschein abgeben, nachdem ihn die Polizei wegen überhöhter Geschwindigkeit Mitten in Paris gestoppt hat. Das ist im Prinzip zwar ärgerlich, aber keine Katastrophe – für Grégoire allerdings schon. Ein weiterer Stolperstein in seiner auf dem Ruder laufenden Existenz.
Außerdem hat der Produzent auch noch eine Familie. Gattin Sylvia versucht ihrem Mann den Rücken frei zu halten, seine drei reizenden halbwüchsigen Töchter geben ihr Bestes, um Vater zu Hause auf andere Ge-danken zu bringen. Aber die Frustrationstoleranz aller Beteiligter neigt sich der Erschöpfung zu.
Grégoire hält das Ganze nicht mehr aus und bringt sich um! Damit ist der Film von Mia Hansen-Love nicht zu Ende. Die Verzweiflungstat findet bereits in der ersten Hälfte von „Der Vater meiner Kinder“ statt.
Aus dem Psychogramm eines Gehetzten wird die berührende Beschreibung von Trauerarbeit, der Bewältigung einer Krise. Silvie versinkt nicht in Depressionen, sondern sucht beherzt einen neuen Anfang. Im Privaten ebenso wie für die hoch verschuldete Firma ihres Mannes.
„Der Vater meiner Kinder“ ist ein Film so unvorhersehbar wie das Leben. Die große Kunst der Regisseurin Mia Hansen-Love besteht darin, dass sie den Zuschauer nicht einem Thesenstück in Moll traktiert, sondern mit leichter Hand schwierige Verhältnisse beschreibt. Noch nie ist die Arbeit eines Produzenten so nüchtern in einem Film dargestellt worden. Ein moderner Manager eben – der in einer sensiblen Branche zugange ist. Für die Figur des Grégoire Canval hatte Hansen-Love ein reales Vorbild: den französischen Produzenten Humbert Balsan.
1954 geboren, war er bereits im Alter von 20 Jahren als Produzent von Robert Bressons „Lancelot“ aufgefallen. Später hat Balsan als einer der ersten europäischen Produzenten mit der Entdeckung arabischer Filmemacher wie Elia Suleiman oder Yousry Nasrallah Furore gemacht. Während der dramatischen Dreharbeiten zu Lars von Triers „Manderlay“, den er koproduzierte, hat Humbert Balsan im Februar 2005 Suizid begangen.
Mia Hansen-Love war ihm durch jahrelange Zusammenarbeit in unterschiedlichen Bereichen verbunden. Um so bemerkenswerter, dass aus „Der Vater meiner Kinder“ keine filmische Selbsttherapie wurde, sondern eine kluge Beschreibung des Übergangs mit einem realistischen Blick auf die Filmbranche.