Originaltitel: En ganske snill mann
Norwegen 2009
Regie: Hans Petter Moland
Mit Stellan Skarsgard, Björn Floberg, Jorunn Kjellsby
Kinostart: 9. Dezember 2010
Dank staatlicher Produktionsförderung können in letzter Zeit auch in Norwegen Film von internationalem Format realisiert werden. Bieten damit einheimischen Schauspielern eine Plattform, die bisher an-spruchsvolle Rollen nur im Ausland gefunden haben. Zum Beispiel Stellan Skarsgard, der in England und den USA zum Star wurde. Mit ihm in der Hauptrolle drehte der norwegische Regisseur Hans Petter Moland „Ein Mann von Welt“, der in diesem Frühjahr bei den Berliner Filmfestspielen uraufgeführt wurde. Diese Woche startet der – inzwischen mehrfach ausgezeichnete – Film in den deutschen Kinos.
Ulrik (Stellan Skarsgard), einem in die Jahre gekommenen Rocker mit Pferdeschwanz, ist anzusehen, dass er ein bewegtes Leben hinter sich hat. Die letzten zwölf Jahre war Ulrik im Gefängnis, weil er mit dem Lover seiner Frau kurzen Prozess gemacht hatte. Zur Entlassung aus dem Knast geben ihm die Wärter eine Flasche Bier und gute Wünsche mit auf den Weg: In der Freiheit wird Ulrik bereits von Rune Jensen (Björn Floberg) erwartet, dem Boss im Milieu, zu dessen Handlangern Ulrik nach wie vor gehört und der gleich eine neue Aufgabe für ihn hat.
Immerhin meint es Jensen gut mit Ulrik und quartiert ihn im Keller bei seiner Schwester Karen Margarete (Jorunn Kjellsby)ein, einer ziemlich grantigen älteren Dame. Äußerlich ähnlich desolat wie die Autoreperaturwerkstatt, in der Ulrik einen Job als Mechaniker bekommt.
Obwohl für Ulik äußerlich alles bestens arrangiert wurde, ist sein Weg in den bescheidenen bürgerlichen Alltag eines Kleinkriminellen voller Stolperfallen. Dabei macht ihm Boss Jensen mit seinen illegalen Geschäften noch die geringsten Probleme. Die bekommt Ulrik durch seine in jahrelanger Enthaltsamkeit konservierte Potenz: Mit seinem Sexappeal beglückt er nicht nur die Tochter seines Arbeitgebers, sondern auch Karen Margarete. Die als Gegenleistung für Kost und Logie von Ulrik regelmäßig Liebesdienste einfordert.
Die beiden Frauen schätzen aber nicht nur Ulriks allzeit verfügbaren körperlichen Einsatz, sondern seinen Beschützerinstinkt und hätten ihn deshalb gerne immer an ihrer Seite: Das kann auf Dauer nicht gut gehen und führt zum Eklat. Dem armen Mann droht ein Platz zwischen allen Stühlen. Dabei will er eigentlich nur eines: den Kontakt zu seinem inzwischen erwachsenen Sohn Geir (Jan Gunnar Roise) wiederherstellen.
Mit einem ganz speziellen, beinharten Humor schickt der norwegische Regisseur Hans Petter Moland seinen ramponierten Helden in „Ein Mann von Welt“ auf den Weg zu sich selbst. Erzählt vom Glück des Zufalls, der Nützlichkeit von Erfahrung und entlässt den Zuschauer am Ende mit dem beruhigenden Gefühl, das auch der größte Kindskopf irgendwann einmal erwachsen wird. Spätestens wenn in seinem Auto sein Enkel zur Welt kommt, während Sohn Alex beim Angeln und nur per Handy erreichbar ist.
Stellan Skarsgard verkörpert Ulrik mit stoischer Gelassenheit als Fels in der Brandung. Ohne viele Worte gelingt es dem Ausnahme-Schauspieler allein durch seine Körpersprache eine komplexe Persönlichkeit darzustellen, die nicht mehr bereit ist, den alten Trott weiter zu gehen. Zu den großartigen Momenten in „Ein Mann von Welt“ gehört beispielsweise die nonverbale Annäherung zwischen Ulrik und seinem Sohn, der im Gegensatz zu seinem Vater in gut bürgerlichen Verhältnissen lebt. Regisseur Molland ist es gelungen, sein im Grunde tragisches Thema hinreißend komisch zu inszenieren, ohne seine Protagonisten der Schadenfreude des Publikums auszuliefern: So wurde aus „Ein Mann von Welt“ einer der schönsten Filme über einen Glückssucher und –finder seit langem!
SWR2 Journal am Abend, 8.12.2010:
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