Im westdeutschen Kino der 1950er Jahre lockte der Jäger vom Silberwald, läuteten die Glocken der Heimat und ging es mit Allotria nach Zell am See, zu den Caprifischern oder nach Teneriffa. Zwischendurch wurde das „Dritte Reich“ und der Zweite Weltkrieg gleich mit filmisch bewältigt. Die Zeitgeschichte war kein Thema – höchstens bezüglich der Schatten der Vergangenheit. Der „Kalte Krieg“ und die deutsche Teilung fanden auf bundes-republikanischen Leinwänden so gut wie keinen Ausdruck. Helmut Käutner versuchte es 1955 mit „Himmel ohne Sterne“ – mit geringem (kommerziellen) Erfolg! Zögerliche weitere Versuche wie „Tunnel 28“ oder „Verspätung in Marienborn“ blieben marginal. Nur weil es um einen Pfarrer ging und eine protestanische Produktion ihn finanziert hatte, wurde Stuart Rosenbergs „Frage 7“ zu einem Publikumserfolg – der Besuch von Pfarrern und Lehrern empfohlen.
So richtig interessant wurde das Thema erst nach der Wende: TV-Events widmeten sich ausgiebig dem problematischen Nebeneinander zweier deutscher Staaten. „Das Leben der Anderen“ (von Drüben) war jetzt hoch interessant und gewann sogar einen Oscar.
Anders der Umgang mit der deutsch-deutschen Frage im Film der DDR. Seit den frühen 1950er Jahren gehört das Thema zum festen Kanon der Defa-Produktionen. Gleich dreimal wurde beispielsweise der Bau der Mauer 1961 in Spielfilmen aufgegriffen. Mehrere dieser hochspannenden Schlüsselfilme zum Selbstverständnis der DDR gibt es inzwischen auf DVD. Hier eine Auswahl:
Am Morgen des 13. August 1961 meldet der Berliner Rundfunk den Beginn des Mauerbaus. Der jungen Ost-Berlinerin Caroline Merzen ist damit der Weg zu ihrem Arbeitsplatz in einer Bar im Westteil der Stadt im wahrsten Sinne des Wortes verbaut. Sie versucht mit Charme an die Menschlichkeit eines Bewachers zu appellieren.
Der Grenzer heißt Georg Nikolaus und ist ein netter Kerl, von Beruf Elektriker. Als Mitglied einer Betriebskampf-Gruppe ist er zum Dienst am Mauerbau abkommandiert worden. Am Sinn des „Antifaschistischen Schutzwalls“ hat Georg keinerlei Zweifel. Das versucht er auch Caroline klar zu machen, in die er sich inzwischen verliebt hat.
Der Film heißt „Der Kinnhaken“ und war einer der ersten Beiträge der Defa zur Begründung des Mauerbaus. Er kam im November 1962 in die ostdeutschen Kinos. Weniger die artige Regie Heinz Thiels macht diesen Film bemerkenswert, als vielmehr die Tatsache, dass das Drehbuch von Manfred Krug geschrieben wurde – damals einer der Jungstars in der DDR. Er spielt auch die Rolle des wackeren SED-Kader-Mannes Georg. Krug stattet seine Rolle mit Witz und trockenem Humor aus, wo durch die propagandistische Absicht – für den heutigen, westlichen Betrachter – in den Hintergrund rückt.
Bereits nach dem Verbot seines nächsten Films „Spur der Steine“ (Regie: Frank Beyer) durch die SED-Bürokratie kühlte Manfred Krugs Begeisterung für den real existierenden Sozialismus ab – 1977 verabschiedete er sich aus der DDR und ging in den Westen. Auf DVD gibt es den „Kinnhaken“ von Icestorm-Entertainment. Im Bonusteil ausführliche Informationen zum politischen Hintergrund.
Innerhalb der zahlreichen Defa-Produktionen, die sich direkt oder indirekt mit der deutschen Teilung beschäftigen, nimmt „Die Flucht“ von Roland Gräf eine Schlüsselstellung ein. Der 1977 gedrehte Film berührte ein Thema, das nach der Biermann-Affäre 1976 in der DDR zum Tabu geworden war. Die Flucht in die Bundesrepublik:
Das Engagement des Mediziners Dr. Schmith bekommt einen Dämpfer, als ein Forschungsvorhaben abgelehnt wird. Frustriert will er der Offerte einer westdeutschen, natürlich kriminellen, Fluchthilfe-Organisation folgen, die ihm nicht nur die Finanzierung seiner Forschungen, sondern zu dem eine lukrative Oberarzt-Stelle anbietet. Dafür aber happiche Gegenleistungen erwartet.
Dank glücklicher Umstände, findet sich überraschend doch eine Möglichkeit das Forschungsprojekt in der DDR zu realisieren. Außerdem lernt Schmith eine reizende junge Kollegin kennen. Es besteht also kein Anlass mehr, in die Welt des Kapitalismus und seinen dubiosen Geschäftemachern abzuwandern. Aber das Abenteuer „Republikflucht“ endet für Schmith dennoch tödlich, die Fluchthelfer lassen nicht locker.
Ganz im Sinne der Staatsraison wird in „Die Flucht“gezeigt, wie persönlicher Ehrgeiz im Einklang mit westlichen Mächten zur Katastrophe führt. Also schön artig daheim bleiben!In der Hauptrolle Armin Mueller-Stahl. Es war sein vorletzter Film in der DDR ,bevor er 1979 ebenfalls in den Westen abwanderte. Sein Partner in „Die Flucht“, Gerhard Bienert, war später selbst in einen Fluchthelferprozess verwickelt. „Die Flucht“ gibt es von Icestorm-Entertainment auf DVD. Bonus-Materialien inklusive.
In der eben bei LangenMüller erschienen Biograpfie „Armin Mueller-Stahl“ von Volker Skierka wird der Hintergrund des Weggangs des Schauspielers ausführlich beschrieben. Wie viele andere auch hatte er die Petition gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns unterschrieben:
„Politischer Druck setzt ein – auf ihn und andere, die Unterschrift zurück zu ziehen. Einige tun es. Mueller-Stahl zieht nicht zurück. Nun versiegen die Aufträge, bricht lange aufge-stauter Neid bei Kollegen Bahn. Mobbing bei der Volksbühne veranlasst ihn, nach 25 Jahren dort sein Engagement zu kündigen. Plötzlich bleibt das Telefon stumm. ‚Ich war beruflich von einem Tag auf den anderen kaltgestellt. Als Schauspieler stirbt man ja einen ganz geräuschlosen Tod und in diesem Sinne war ich nach 1976 gestorben‘.
Nicht ganz: Er dreht noch den Kinofilm ‚Die Flucht‘ und den Fernsehfilm ‚Geschlossene Gesellschaft‘: ‚Die Flucht – damit begann unsere schwierigste Zeit in der DDR. Die Zeit meiner Unbeliebtheit war da. Ich spiele in dem Film einen Arzt, der in den Westen will und zum Schluss umgebracht wird. Als wir schon im Westen waren, stand plötzlich ein junger Mann von der Staatssicherheit vor mir und sagt: ‚Herr Mueller-Stahl, passen Sie auf, dass es Ihnen nicht so geht wie in ‚Die Flucht‘. Das war eine Morddrohung'“.
Ausführlich hat Armin Mueller-Stahl selbst über diese Zeit in seinem Buch „Verordneter Sonntag“ Aufschluss gegeben.
Der berühmtestes und gleichzeitig auch im Westen gezeigte Defa-Film zur deutschen Teilung ist „Der geteilte Himmel“, den Konrad Wolf 1964 nach der gleichnamigen Erzählung seiner Schwester Christa drehte.
„Der geteilte Himmel“ handelt im Grundsatz vom Gewissenskonflikt zwischen Flucht vor Konflikten und dem Standhalten ihnen gegenüber. Die Geschwister Wolf machen das an einem Paar fest, dass auf unterschiedliche Weise versucht, ihre Lebensperspektiven zu finden. Ähnlich wie 12 Jahre später in „Die Flucht“ wird der Idealismus eines Wissenschaftlers von höherer Stelle ausgebremst – er zieht die Konsequenzen und geht.
Nüchtern beschreibt „Der geteilte Himmel“ die Verhältnisse. Obwohl der Film alles andere als Staatskonform war und mehrfach für den Kinoeinsatz gesperrt wurde, blieb Wolfs Karriere davon unberührt. Die SED-Bürokratie trug damit der Prominenz Konrad Wolfs ebenso Rechnung wie dem Umstand, dass sein Bruder Markus Geheimdienstchef im Lande war. „Der geteilte Himmel“ ist in einer vorzüglichen Filmedition Suhrkamp erschienen. Im umfangreichen Extrateil gibt es noch die Verfilmung der Christa-Wolf-Erzählung „Selbstversuch“, ihre Rede vom 4. November 1989 und ein Interview mit ihr. Weitere Informationen enthält das beigelegte Booklett.
Auch mit handfester Propaganda nach klassischem Vorbild versuchte das Ostberliner Regime, seinen Bürgern klar zu machen, dass der Bau der Mauer nur zu ihrem Besten war. Prominentestes Beispiel ist der Dokumentarfilm „Schaut auf diese Stadt“, der im Frühjahr 1962 in die Kinos kam. Regie führte Karl Gass, einer der wichtigsten DDR-Dokumentaristen. Formal eine hoch-interessante Kompilation aus Dokumentarfilm-Ausschnitten unterschiedlicher Herkunft.
Mit dem dramaturgischen Holzhammer wird „Westberlin als revanchistischen Stachel im Fleisch der friedliebenden DDR“ vorgeführt. Die Westmächte lauern darauf den Hort der Kultur und des freien Meinungsaustausches zu domestizieren. Der Kommentar zu „Schaut auf diese Stadt“ stammt von Karl-Eduard von Schnitzler, dem propagandistischen Scharfmacher der DDR. „Schaut auf diese Stadt“ ist in der Reihe „Die großen Defa-Dokumen-tarfilme“ von Icestorm erschienen.
Außerdem auf der Disc, Jürgen Böttchers nachdenklicher Dokumentarfilm-Essay „Die Mauer. Die Demontage eines Alptraums“. Neben den Klassikern sind zum Gedenktag am 13. August mehrere Dokumentationen zum Thema Mauer und deutsche Teilung erschienen. Sie wurden vor allem vom RBB produziert.
Die Gesamt-Edition des RBB „Berliner Mauer“ umfaßt 20 Stunden Film auf 12 DVDs. Da wurde nichts ausgelassen. Es gibt sie entweder direkt vom RBB oder von Icestorm-Entertainment. Das monumentale Werk kostet 69 Euro, die historischen Filme zwischen 12 und 30 Euro.