Verhältnismäßig spät begann die Karriere des Clinton Eastwood jr. Nach bescheidenen Anfängen in den 1950er Jahren und einem wenig Aufsehen erregenden Engagement in der frühen TV-Serie „Rawhide“ (Cowboy) wurde er dann 1964 mit „Per un pugno di dollari/Für eine Handvoll Doller“ durch Zufall international bekannt: Regisseur Sergio Leone reichte das knappe Budget nicht für einen Hollywood-Star, deshalb sah er sich in der zweiten Reihe um.
Wieder daheim in Amerika kam Eastwood in den frühen 1970er Jahren mit der Rolle des Polizeiinspektors Harry Callahan, der mit seiner 44er Magnum nicht lange fackelt, zu fragwürdigem Ruhm. Insgesamt fünf mal verkörperte Clint Eastwood „Dirty Harry“ mit dem die Brutalität im Kino eine neue Dimension bekam.
Parallel baute sich der Schauspieler ein zweites Standbein als Regisseur auf – zunächst noch beeinflusst von seinem Mentor Don Siegel fand schon bald zu einem eigenen Stil. Zu einem Zeitpunkt, an dem andere an die Pensionierung denken. Alte Männer und ihre Psychopathologie stehen seitdem im Mittelpunkt vieler Eastwoodfilme. Es sind inzwischen über 35 bei denen er Regie führte. Gleichzeitig ist er mit seiner Firma „Malpaso“ sein eigener Produzent und häufig auch der eigene Hauptdarsteller.
Clint Eastwood singt am Ende seines jüngsten Films „Gran Torino“ eine Elegie auf das Alter. In dem 2008 gedrehten Film spielt ein 1972er Ford Gran Torino eine wichtige Rolle. Der Oldtimer gehört einem alten Mann, der Walt Kowaski heißt und von Eastwood selbst verkörpert wird. Einer der mit der Welt und seinem zu Ende gehenden Leben hadert: Missmutig erlebt der ehemalige Ford-Mitarbeiter und Korea-Kriegsveteran, wie sich alles um ihn herum verändert. „Gran Torino“ ist ein besonders typisches Werk des Filmemachers Clint Eastwood. Es geht um den gesellschaftlichen Wandel und die Beziehung zwischen Alt und Jung. Ebenso um die Schuld der Alten und ihre Versuch zu sühnen. Eastwood sagt dazu in einem Interview:
„Ich habe im Laufe meines langen Lebens gelernt, dass es nicht nur beim Filmemachen darauf ankommt, Brücken zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart zu schlagen. Natürlich hat sich dabei mein Blick und meine Einstellung geändert. Dann wundere ich mich gelegentlich über mich selbst…“
Deshalb lässt Clint Eastwood in „Gran Torino“ sein alter ego Walt auf die alten Tage lernen, das dass Betrauern der Vergangenheit wenig Sinn macht. Vielmehr gilt es, den Nachgeborenen bei der Lösung ihrer Probleme zu helfen. Selbst wenn es das eigene Leben kostet.
Vom zynischen Cop Dirty Harry Callahan ist wenig übrig geblieben. Inzwischen ragen die Traumata der Vergangenheit in die Gegenwart. In den neueren Filmen Eastwoods hat das Leid der Menschen einen Punkt erreicht, an dem Verdrängung unmöglich geworden ist. In Eastwoods vielleicht bedeutsamsten Film „Mystic River“ aus dem Jahr 2003 wird der kleine Dave in seinem Heimatort von zwei Männern auf offener Straße entführt und vergewaltigt. Mit der entsetzlichen Erfahrung ist Dave nie fertig und zum Außenseiter geworden. 25 Jahre später wird die Tochter seines Nachbarn und einstigen Schulfreundes Jimmy ermordet. Dave gerät in den Verdacht der Täter zu sein. Auf der Grundlage des gleichnamigen Romans von Dennis Lahane entwickelte Clint Eastwood in „Mystic River“ eine komplexe Studie über die Gewalt in der Gesellschaft und wie der Einzelne damit umgehen kann oder auch nicht. Altersweise aber nicht altersmilde legt Clint Eastwood in seinen Filmen die wunden Punkte frei:
„Mich interessiert das plötzliche Aufbrechen einer Oberfläche; wenn sich zeigt, das nichts in Ordnung ist. Dabei hat mir bei “Mystic River“ ein Ensemble großartiger Schauspieler mit Sean Penn, Kevin Bacon und Tim Robbins wesentlich geholfen. So konnten wir zeigen, wie jahrlang Verdrängtes zwangsläufig zur Katastrophe führt. Manchmal denke ich, Katastrophen sind unvermeidlich…“
Clint Eastwood wurde einmal als „konservativer Rebell“ bezeichnet. Auch von diesem Image hat er sich in den letzten Jahren entfernt. Während links-liberale Filmemacher wie Oliver Stone nach dem 11. September 2001 nach rechts schwenkten, ging Eastwood in die entgegen gesetzte Richtung – zum Beispiel mit „Million Dollar Baby“. Neben Amenabars „Das Meer in mir“ die radikalste Darstellung von Sterbehilfe im Film.
Eastwoods Credo heißt heute: Nur wer den gesellschaftlichem Wandel akzeptiert und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit bereit ist, findet Frieden mit sich und der Welt. Dabei schließt er sich selbst nicht aus. Das gibt seinem Werk eine faszinierende Dynamik.
So drehte er mit „Firefox“ 1982 einen Wehrertüchtigungsfilm, der die Reagan-Administration entzückte. Den er aber 2006 mit „Flags of our fathers“ und „Letters from Iwo Jima“ radikal konterkarierte: Der Zweiteiler gehört zu den konsequentesten Anti-Kriegsfilmen der Geschichte: er zeigt, wie eine Vatergeneration ihre Söhne erbarmungslos opfert, um fragwürdige politische Ziele durchzusetzen. Zur Kühnheit im Denken kommt bei Clint Eastwood die Brillanz in der äußeren Form. Das macht ihn im gegenwärtigen Weltkino einzigartig. Sein neuer Film heißt „Hereafter“ also „In Zukunft“ und soll im Herbst Premiere haben….
In der Reihe „Film-Konzepte“ der edition text+kritik ist als No. 8 eine filmhistorisch fundierte, lesenswerte Einführung in das Werk des Filmemachers erschienen. Herausgeber ist Roman Mauer. Mit Beiträgen über Selbstjustiz, Todesstrafe und Sterbehilfe bei Eastwood, aber auch zu „Dramaturgie und Liebe“, den Kriegsfilm und die Rolle der Musik. Preis: 14 €
Zwischen 5. Juni und 7. August zeigt die ARD immer Samstags und zu später Stunde eine Auswahl bekannter und weniger bekannter Eastwood-Filme. Samstagnacht um 3.10 Uhr (!) startet die Reihe mit seinem selten gezeigten Regie-Debut „Sadistico“. Leichter hat man es da mit den DVDs.
Nahezu das Gesamtwerk des Regisseurs Eastwood hat Warner Home Video in Neueditionen angekündigt.
SWR2 Journal am Mittag vom 31. 5. 2010
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