Argentinien 2010/2011
Originaltitel: Un cuento chino
Regie: Sebastián Borenzstein
Mit: Ricardo Darin, Huang (Ignacio) Sheng Huang, Muriel Santa Ana
Kinostart: 5. Januar 2012
Zu den interessantesten und innovativsten Filmländern der Gegenwart gehört Argentinien. Die Regisseure dieses Landes zeichnet ein völlig neuer Blick auf die Realitäten in der Welt aus. Sie rühren vorzugsweise in Tragikomödien mit magischen Zwischentönen nicht nur an die Probleme ihres Landes, sondern weit darüber hinaus. Ein wichtiges, immer wieder kehrendes Thema ist Fremdheit und ihre Überwindung durch pure Menschlichkeit. Ein besonders gelungenes Beispiel ist „Chinese zum Mitnehmen“ von Sebastián Borenzstein, der im Original „Un cuento Chino“ heißt und auf eine spanische Redewendung Bezug nimmt. Damit ist ein Gleichnis gemeint, bei dem sich hinter einer vordergründigen Lügengeschichte eine lebenskluge Wahrheit verbirgt. „Un cuento Chino“ wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt mit dem Hauptpreis des „Filmfestival Rom“ im vergangenen Herbst.
Ärger, nichts als Ärger: schon wieder fehlen drei Schrauben, obwohl sie berechnet wurden. Unpünktliche Lieferanten und Kunden, die dumme Fragen stellen, machen Roberto (Riccardo Darin) das Leben schwer. Die Welt könnte ein wahres Paradies sein, wenn da nicht solche und andere alltäglichen Stolpersteine wären. Der alleinstehende Besitzer einer Eisenwarenhandlung in Buenos Aires wäre der glücklichste Mensch auf Erden.
Weil alles so schrecklich unordentlich ist, wurde aus Roberto der dauergrantelnde Misanthrop. Am besten geht es ihm allein in seiner picobello aufgeräumten Wohnung. Hier geht er seinem ungewöhnlichen Hobby nach: Er sammelt Nachrichten von Unglücks-fällen – je bizarrer desto lieber!
Sorgfältig schneidet Roberto die Meldungen und Reportagen aus der Zeitung aus und archiviert sie zu einer Chronique skandalöse globaler Missgeschicke.
In einem Glanzstück in Robertos Sammlung wird von einer Kuh in China berichtet, die wegen einer nicht ordnungsgemäß verschlossenen Ladeluke aus einem Transportflugzeug auf kleines Boot fiel und das Glück eines frisch vermählten jungen Paares zerstörte…
An einem regnerischen Tag begegnet Roberto auf dem Nachhauseweg einem jungen Chinesen, der kein Wort spanisch spricht und einen verstörten Eindruck macht. Sein trauriger Anblick rührt das Herz des Menschenfeindes; Roberto nimmt Jun bei sich auf und entdeckt erstaunt neue Seiten seiner Persönlichkeit. Er gerät zum Beispiel mit einem reaktionären Polizisten aneinander, der den Chinesen kurzerhand einbuchten will.
Mit imponierender Leichtigkeit kombinierte Sebastián Borensztein in „Un cuento chino/Chinese zum Mitnehmen“ die Geschichte vom Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen und Temperamente mit absurdem Humor.
Die Sache mit der Kuh, die vom Himmel fällt, ist dafür typisch. Zu den erstaunlichen Seiten dieses Films gehört, dass sich selbst ein derart skurriler Moment nahtlos in die Gesamt-dramaturgie einfügt. Der „Chinese zum Mitnehmen“ ist einer der schönsten Filme über Fremdheit als Chance, Einsamkeit zu überwinden und neue Lebensperspektiven zu entdecken. Vielleicht muss dazu erst „eine Kuh vom Himmel fallen“, damit der Mensch aufwacht und merkt, was die Stunde geschlagen hat….