Eine unsympathische Männer-Clique auf einer Kreuzfahrt in der Ägäis. Alle samt Monomanen, die um sich selbst kreisen. Da ist für Gemeinsinn kein Platz. Auch dann nicht, wenn die schicke Jacht in einen Sturm gerät. Für die Passagiere eine interessante Abwechslung im Urlaubseinerlei: der Film einer griechischen Regisseurin, die bereits mit „Alpen“ und „Attenberg“ den Miseren ihres Heimatlandes filmisch nachspürte. Als „Chevalier“ letztes Jahr in Cannes Premiere hatte, lag es für Viele auf der Hand: damit ist der drohende Bankrott Griechenlands gemeint. Athina Rachel Tsangari hat dem aber widersprochen…
„Chevalier“ verführt zu einfachen Schlüssen! Reiche Kerle schippern auf schwankendem Boden durch die Gegend. Eitle Gockel, die auf der ganzen Welt nicht mehr interessiert, als dem eigenen Ego nachzugehen. Hier und da den einen oder anderen ein bisschen moppen. Das höchste des Vergnügens: mit dem Jetski einen surfenden Mitreisenden zum Kentern bringen. Indes der Lustgewinn bleibt bescheiden! Deshalb widmen sich die Herrn schließlich mit Begeisterung dem Detektiv-Spiel „Chevalier“ nach dem Motto: wer ist der Schönste, Fitteste, Erfolgreichste an Bord. Da kommt das Kind im Manne zum Vorschein. Es gibt ja so viele Kriterien, die es zu berücksichtigen gilt – von der Penisgröße bis zur Marke des Haargels.
Wie dabei getrickst, korrumpiert und mit falschen Karten gespielt werden kann, ist dann ziemlich nah an männlichen Machtspielen im Globalen wie im Regionalen und Persönlichen. Gnadenlos kennt Athina Rachel Tsangari mit ihren Protagonisten kein Pardon. Mit nonchalanter Eleganz demontiert sich ihre Möchtegernhelden. Am Ende besteigen sie nur zögernd ihre am Pier geparkten Limousinen, um nach Hause zu fahren… Der Reiz dieses überaus originellen Films besteht in erster Linie darin, dass die Regisseurin nichts kommentiert, sondern nur beschreibt, was Langeweile unter Männern für eigenartige Blüten treibt und wie dünn ihre Fassade ist. Schön, dass „Chevalier“ im untertitelten Original in die Kinos kommt. Zwar mit einjähriger Verspätung, aber immerhin. An Aktualität hat er nichts eingebüßt, im Gegenteil. Es geht ja schon lange nicht mehr „nur“ um Griechenland.
Herrn Erdogan könnte man sich durchaus in einer solchen „Chevalier“-spielender Clique vorstellen….
„Chevalier“ – Griechenland 2015, Regie: Athina Rachel Tsangari, mit Giannis Drakopoulos u. A, Deutscher Kinostart: 21. April 2016