Neben Berlin und Venedig gilt Cannes als wichtiger Filmmarkt, auf dem die besten Regisseure und Produzenten der Gegenwart ihre neuen Filme präsentieren. Im vergangenen Jahr gehörten innovative Arbeiten von Michael Haneke, Lars von Trier oder Pedro Almodovar zum Programm. Ihre Filme gibt es inzwischen auf DVD:
„Das weiße Band“ von Michael Haneke war der selbstverständliche Gewinner der Filmfestspiele von Cannes 2009. Inzwischen wurde der in strengem Schwarz-Weiß gedrehte Film auch mit dem „Europäischen Filmpreis“ ausgezeichnet und für den Auslandsoscar nominiert. Der Film spielt in einem überschaubaren norddeutschen Dorf am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Die Idylle wird durch beunruhigende Vorfälle gestört. Der Arzt stürzt vom Pferd, eine Scheune brennt, das behinderte Kind der Habamme wird schwer misshandelt.
Die Verunsicherung ist groß. Die Autoritätsperson am Ort ist der Pfarrer. Auch mit seinen eigenen Kindern meint er es nur gut, wenn er ihnen auf seine Weise den Unterschied zwischen Gut und Böse beizubringen ver-sucht. Dazu soll ein weißes Band beitragen, das den Kindern nach verfehlungen um den Arm gebunden wird.
Leider kann das weiße Band auch im Pfarrhaus nicht verhindern, das Böses geschieht, z. B. der Wellensittich zu Tode kommt. Auch zum sexuellen Erwachen seines pubertierenden Sohnes findet der Herr Pfarrer nur bedingt die richtigen Worte. Die Reaktion bzw. Nicht-Reaktion des Vaters auf die schüchternen Appelle seiner Kinder nach Liebe und Geborgenheit, gehört zu den stärksten und dabei besonders typischen Momenten von „Das weiße Band“. Burghart Klaussner spielt als Pfarrer die bisher beste Rolle seiner Karriere.
Die Kunst Michael Haneke zeigt sich aber auch in der Führung des übrigen Ensembles. Um die latente Gewalttätigkeit einer Gesellschaft am Abgrund zu beschreiben, bedarf es keiner expliziten Gewaltdarstellungen, wie man sie aus früheren Haneke-Filmen kennt.
„Das weiße Band“ gibt es in einer noblen Deluxe 2-Disc-Edition von X-Filme. Disc 2 enthält ein aufschlussreiches Making-Of, dass einen Einblick in die Arbeitsmethode Michael Hankes gibt, der sich für gewöhn-lich ungern in die Karten schauen lässt. Außerdem auf der Bonus-Disc eine Dokumentation über die Premiere beim Festival de Cannes und ein Portrait des Regisseurs.
Von den nicht allein filmischen, sondern auch literarischen Qualitäten des Drehbuchs kann man sich an Hand der Veröffentlichung überzeugen. Sie ist im Berlin Verlag erschienen und enthält neben dem kompletten Text zusätzliche Faksimiles aus dem Originaldrehbuch und Standfotos. Eine willkommene Ergänzung der DVD.
Nachdem Pedro Almodovar 2008 in Cannes für „Volver“ ausgezeichnet wurde, konnte er ein Jahr später nicht schon wieder auf einen Preis hoffen. Unverdient ging „Los abrazos rotos/Zerrissene Umarm-ungen“ dann aber völlig unter. Auch an den deutschen Kinokassen enttäuschte Almodovars Fexierspiel, in dem sich Vergangenheit und Gegenwart raffiniert verschränken.
Marco Blanco ist ein in Maßen erfolgreicher Regisseur. Beim Casting für einen neuen Film verliebt er sich Hals über Kopf in die hinreißend schöne Lena. Die rassige Traumfrau hat ein dunkles Geheimnis. Ebenso wie Mateo selbst, der als Harry Caine ein Parallelleben als Schriftsteller führt. Doch das alles ist Vergangenheit. Seit einem Verkehrsunfall, bei dem Lena getötet wurde, ist Marco querschnittsgelähmt und arbeitet nur noch als Autor.
Die DVD „Zerrissene Umarmungen“ von Tobis bietet über 90 Minuten Extras – mit Dokumentationen zu den Dreharbeiten, der Deutschland-Premiere in Berlin und dem frühen Alomdovar-Kurzfilm „Die menschenfressende Stadträtin“.
Durch Schock-Momente an den Grenzen zur Pornographie verschreckte Lars von Trier mit „Antichrist“ die Premierengäste von Cannes und im Laufe des letzten Jahres auch das Kinopublikum. Der Regisseur bezeichnete die Arbeit an diesem Film als „Selbsttherapie“. Auf DVD wird es den Film Mitte März von Ascot-Elite geben.
Zum ersten Mal in der über 60jährigen Geschichte des Festivals wurde Cannes 2009 mit einem Animationsfilm eröffnet. Mit der Pixar-Produktion „Up/Oben“ von Pete Doctor und einer tief berührenden Geschichte über den Generationenvertrag: Der Verlauf seines Lebens hat es Carl Fredricksen nicht erlaubt, seine Traumreise an den Amazonas zu verwirklichen. Als einsamer verbitterter 78jähriger lebt Carl in seinem kleinen Holzhaus, das von modernen Betonbauten bedrängt wird. Da gibt sich Carl Fredericksen auf seine alten Tage einen Ruck, verwandelt sein Haus mit einem raffinierten Flugapparat in ein Luftschiff, um davon zu segeln. Durch Zufall ist der achtjährige Pfadfinder Russel mit an Bord, der sich unbedingt als Seniorenbetreuer profilieren will.
Notgedrungen muss Carl den munteren Russel mit auf die Reise nehmen. Der Beginn einer großen Freundschaft zwischen Alt und Jung: „Oben“ gehört zu den liebenswertesten Filmen zu diesem Thema. Vor allem aber ist er einer der charmantesten:
Auf DVD ist „Oben“ bei Walt Disney Studios Home Entertainment gleich in mehreren Versionen erschienen – mit mehr oder weniger vielen Extras Zum Beispiel dem Pixar-Kurzfilm „Teilweise wolkig“, der im Kinovor-programm von „Oben“ gezeigt wurde. Außerdem „Dugs Sondereinsatz“ sowie Audiokommentare und alternative Szenen. Die Preise liegen zwischen 20 und 25 Euro, „Zerrissene Umarmungen“ kostet 15, „Das weiße Band“ 14 und „Antichrist“ 17 Euro. Natürlich gibt es die Filme auch auf Blu-ray – entsprechend teurer.
Dazu der Hörfunk-Beitrag aus der Reihe SWRcont.ra DVD:[media id=80 width=320 height=20]