Lange vor Elton John, Madonna oder Lady Gaga stilisierte sich Wladziu Valentino Liberace (1919-1987) oder kurz: “Liberace“ in den 1960er Jahren zu einer extravaganten Pop-Ikone: bereits mit 12 Jahren ließ sich das musikalische „Wunderkind“ als Klavier-Solist mit Chicago Symphony Orchestra feiern. Später war Liberace in der Lage, 6000 Noten in zwei Minuten fehlerlos zu spielen. Diese Begabung hat ihn reich gemacht. Zu seinen Konzerten ließ er sich mit einem verspiegelten Rolls Roys auf die Bühne fahren, um sich dann an einen gläsernen Flügel zu setzen, auf dem ein riesiger Kandelaber mit echten Kerzen stand. „Behind the Candelabra“ heißt ein neuer Film über Liberace, der seine bejubelte Uraufführung bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes hatte. Unter der Regie von Steven Soderbergh spielt Michael Douglas die Titelrolle.
Liberace Lebensmaxime war: „Too much of good thing is wonderful“. Und bei Liberace war alles ein bisschen „to much“: sein irrwitziges Tempo als Pianist, seine Flitterkostüme, der Rolls auf der Bühne, sein Entertainment und der riesige Kandelaber über dem Flügel, mit bis zu 100 brennenden Kerzen: der Titel des neuen Films „Behind the Candelabra“ meint im übertragenen Sinn das Leben des Künstlers hinter der öffentlichen Show und das war tabu. Zeitlebens bemühte er sich, davon so wenig wie möglich öffentlich werden zu lassen. Insbesondere seine Homosexualität: Liberace war homosexuell und sich bewusst, dass ein Outing das Ende seiner Karriere bedeuten würde.
Entsprechende Gerüchte gab es natürlich: In Liberaces Privatleben spielten hübsche junge Männer eine wichtige Rolle. Einer davon war Scott Thorson, der über sein Verhältnis zu Liberace ein Buch geschrieben hat, das Steven Soderbergh als Grundlage für seinen Film diente.
Obwohl die Beziehung zwischen Liberace und Scot
t nur sechs Jahre gehalten hat, ist es für Beide die Liebe ihres Lebens gewesen. Scott besucht Liberace noch einmal kurz bevor dieser 1987 an Aids stirbt. Jenseits aller „Käfig voller Narren“-Tunten-Klischee hat Steven Soderberg mit „Behind the Candalebra“ einen der schönsten Filme seiner Karriere gedreht – mit Michael Douglas und Matt Damon auf dem Höhepunkt ihrer schauspielerischen Kunst.
Elegant spielt Soderbergh mit der Selbststilisierung Liberaces, die mit der Zeit auf seinen Protegé abfärbt. Dabei verblüfft der Film durch seine Benutzung der Möglichkeiten digitaler Bildbearbeitung. Da wird aus dem zur Korpulenz neigenden Matt Damon ein Adonis und wieder zurück. Wenn sich Liberace und Scott liften lassen, zeigt sich ebenfalls das digitale Wunder.
Das Spiel mit der Technik bleibt trotzdem diskret wie diese Annäherung an einen genialen Exzentriker insgesamt – ohne seine Persönlichkeit, die auch tragische Seiten hat, auszubeuten.
Das hat die Festivalleitung von Cannes bewogen, das Reglement außen vor zu lassen. Es handelt sich bei „Behind the Candelabra“ nämlich um eine reine Fernsehproduktion und dürfte deshalb gar nicht gezeigt werden.
Bisher hat der Produzent – der amerikanische Bezahlsender HBO – einer Kinoauswertung nicht zugestimmt. Vielleicht ändert sich daran etwas, wenn „Behind the Candelabra“ am Sonntagabend in Cannes einen Preis bekommt, was nicht auszuschließen ist: ab 21 Uhr strahlt HBO den Film jedenfalls landesweit in den USA aus…