Während sich draußen die Wolken verziehen, geht es im Saale heftig zur Sache. In absolut coolen Bilder schickt der neuseeländische Regisseur Andrew Dominik („The Assassination of Jesse James by the coward Robert Ford“) einen sensiblen Killer aus. Weil er seine Opfer nicht leiden sehen kann, bringt er sie lieber aus der Distanz um. Daher der Titel des Films „Killing them softly“. Das heißt nicht, dass sich der Macher bei seiner Schlachtplatte optischer Zurückhaltung befleißigt hätte. Er geht in die Vollen und zielt auf die Magengrube der Zuschauer – etwa wenn er einen abgetrennten Kopf in Zeitlupe durch die zerborstene Windschutzscheibe eines Autos segeln lässt. Lecker!
Brad Pitt spielt übrigens die Hauptrolle. Vermutlich geniert er sich für diese Rolle derart, dass er eventuelle Interview-Aspiranten durch horrente Honorarforderungen abschreckt. Auf der Pressekonferenz erschien Herr Pitt wie Jung-Siegfried mit wallender Haarpracht. Die künftige Frau Pitt soll auch in der Stadt sein; es gibt sicher für die Hochzeit im August noch die eine oder andere Besorgung zu machen.
Sympathischer als der auf zweifelhafte Schauwerte getrimmte Thriller „Killing them softly“, bei dem sich die Frage stellt, was deratiger Schrott in Cannes im Wettbewerb verloren hat, besieht sich der neue Film von Ken Loach: „Angel’s share“. Erwartungsgemäss widmet sich der britische Regisseur wieder den Mühselig und Beladenen – wie es seit 50 Jahren seine Art ist. Es verwundert immer wieder aufs Neue, dass Loach dazu immer was Neues einfällt.
Diesmal heißt sein trauriger Held Robbie, der von dem Laiendarsteller Paul Brannigan mit mehr oder weniger autobiographischen Hintergrund überzeugend gespielt wird.
Robbie ist Anfang 20 und hat einiges auf dem „Kerbholz“. Jetzt droht der Knast, wenn er sich nicht zusammenreißt. Als junger Vater hat Robbie erst recht allen Grund dazu. Ein Job wäre gut! Schlau durchschaut der Junge die Verhältnisse und lernt schnell, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, dem eigenen Glück etwas nachzuhelfen – durch die Hintertür!
Im Gegensatz zu früheren Filmen widmet sich Ken Loach in „Angel’s share“ betont nicht einer chancenlosen Gesellschaft von Losern, sondern pfiffigen jungen Leuten, die ihren Weg aus der Misere finden. Dabei spielen Whisky-Experten eine wichtige Rolle und Robbies Naturtalent in diesem lukrativen Gewerbe.
Wieder ein Film, wie ihn nur ein Ken Loach drehen kann oder seine Kollege Mike Leigh. Er gewinnt einem überhaupt nicht lustigen Stoff, einen warmherzigen Humor ab…
Wenn Leos Carax („Pola X“) eines nicht hat, dann ist es Humor. Das beweist auch sein jüngstes Werk „Holy Motors“mit dem anscheinend unvermeidlichen Denis Lavant in der Hauptrolle. Als mysteriöser Oscar lässt er sich in einer Stretchlimosine mit einer geheimnisvollen Frau am Steuer durch Paris chauvieren. Ab und zu steigt er aus, um die Leute auf Friedhöfen und in Kanalisationen zu verschrecken. Wir wissen eigentlich nicht warum er das macht… Manche Leute fanden das bei der Pressevorführung lustig.
Das geräumige Auto dient Oscar nämlich als Garderobe, in der sich in unterschiedliche Freaks verwandelt – vom Glöckner von Notre Dame, über einen Vampir bis zum Clochard. Die Film moussiert zwischen pittoresquem Maskenball, gesellschafts- und konsumkritischem Traktat und prätentiösen Humbuk. Albern und auf Dauer langweilig – es sei dann, man hat besondere Lust auf cineastische Kreuzwort-Rätsel. Aber dafür ist das Festival zu weit fortgeschritten. Da kann es sein, das zarte Naturen anfangen zu schwächeln.