Traditionell versteht sich das „Festival de Cannes“ als Forum des Weltkinos und seine aktuellen künstlerischen, aber auch politischen Strömungen. Deshalb ist es kein Zufall, dass gesellschaftliche Umbrüche dieses Jahr in allen Sektionen des Festivals eine wichtige Rolle spielen.Rumänien heute: ein kleines Frauenkloster auf dem Lande. An den internen Verhältnissen hat sich seit 100 Jahren nichts geändert. Als Fluchtpunkt in schweren Zeiten hat es sich bewährt. Obwohl es im Kloster immer noch weder Fließend Wasser noch Elektrizität gibt. Voichita und Alina sind zwei junge Frauen, die in den berüchtigten Waisenhäusern der Ceausescu-Ära aufgewachsen sind. Sie suchen bei den frommen Schwestern Ruhe und Geborgenheit.
Vor allem Alina tut sich jedoch mit der weltfremden Atmosphäre im Kloster und dem rigiden autoritären Habitus schwer. Zumal sie die Welt als Gastarbeiterin in Deutschland kennen gelernt hat – wo Gottvertrauen keine Hilfe ist. Alina wird am Klosterleben zu Grunde gehen.
Nach seinem Palmen-Gewinnerfilm von 2007 „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“ hat Cristian Mungiu mit „Hinter den Hügeln“ wieder einen Film über eine Frau gedreht, die in die Mühlen einer Gesellschaft im Umbruchs gerät, bei dem nicht Wenige auf der Strecke bleiben.
„Der Winter nimmt diesmal kein Ende“, sagt am Schluss ein Polizist. „Hinter den Hügeln“ wird in Cannes bei den Preisen am kommenden Sonntag sicher nicht leer ausgehen…
2. Februar 2011: Der Tag ist als „Schlacht der Kamele“ in die Annalen der Ägyptischen Revolution eingegangen. Eine Pro-Mubarak-Reiterstaffel hat auf dem Tahrir-Platz peitschenschlagend Anti-Mubarak-Demonstranten attackiert – bis sie von den Demonstranten überwältig wurden…
Mahmoud war einer der Schläger. Jetzt ist ein Ausgestoßener, dem die staatliche Futterration für sein Pferd verweigert wird. Vor der Revolution hat der Beduine Touristen zu den Pyramiden von Giza geführt und bei Folkloreveranstaltungen mitgemacht. Jetzt kommen keine Touristen mehr.
„Nach der Schlacht“ so heißt der Film, den der renommierte ägyptische Regisseur Yousry Nasrallah über Täter wie Mahmoud gedreht hat. Ein Film, der den Zuschauer nach der Uraufführung in Cannes betroffen und verunsichert aus dem Kino entlassen hat. Ein Film, der sich konsequent der einfachen Erklärungen und Kategorien verweigert und an menschliche Schicksale hält – die in den wenigsten Fällen einfach und übersichtlich sind…
„Gottespferde“ des marokkanisch-französischen Regisseurs Nabil Ayouch wurde in Cannes in der Reihe „Un certain regard“ gezeigt. Auch das ist ein typischer Film dafür, wie nordafrikanische Regisseur auf die Umbrüche in ihren Ländern reagieren. In „Gottespferde“ geht um Kinder, die entwurzelt, an einen fundamental-islamistischen Imam geraten: Auch Ayouch vermeidet simple Schwarz-Weißzeichnungen.
In Cannes ist eine ganze Reihe aktueller Filme zum Thema Islamisierung in der Krise zu sehen. Sie verbindet ein humanistischer Anspruch und große Besorgnis angesichts der aktuellen Verhältnisse – auf dem Balkan, wie im Maghreb. Mit kleinstem Budget realisiert, werden hier formal und inhaltlich große Kinogeschichten erzählt. Das verdient allergrößte Hochachtung!