Dasselbe verführerische Licht der Cote d’Azur kurz darauf auf der Leinwand des Grand Théatre Lumiere bei Jacques Audiards neuem Film „De rouille et d’os“, der nebenan in Antibes und Nizza gedreht wurde. Nach „Der Prophet“ wieder ein großer Film, der lange nachwirkt – dank seiner nie gesehenen Montage, den Sprüngen zwischen den Handlungs-ebenen, einem unvergleichlichen Rhytmus. Das nimmt den Zuschauer mit auf die Reise an den Rand der Gesellschaft. Da flirrt das Meer im Sonnen-licht, wirkt alles Hell und Klar. Doch den Menschen ist ihr Leben alles andere als Hell und Klar. Da ist das Dunkle, die Ausnahme von der Regel das Alltägliche. Ohne an Klippen des Sentimentalen zu geraten, bleibt Audiard wieder beim Wesentlichen……und das ist ein Mann, der Ali (Matthias Schoenaerts) heißt, einen fünfjährigen Sohn hat und bei seiner Schwester in Südfrankreich Unter-schlupf gefunden hat. Ali gehört zu denen, die sich auf ihren fitten Körper verlassen können und die von der Natur mit viel Kraft ausgestattet wurden. Dafür mangelt es im Mentalen; Egomanen, die abhauen, wenn es schwierig wird.
Männer wie Ali fühlen sich in der Türsteher-, Security-Kampfsport-Szene zu Hause. Das schmale Salär bessern sie ab und zu als Teilnehmer von Freestyl-Fights auf. Auch Ali. Auch da braucht es gute Nerven und eine gewisse Schmerzresistenz.
Da gibt es im Leben von Ali neben seinem verschüchterten kleinen Sohn noch Stephanie (Marion Cotillard), die hat bei ihrem Job als Wal-Domteuse beide Beine verloren und ist seitdem auf Prothesen angewiesen. Ali sieht sich als Ritter und als Mann für alle Fälle, wenn der sexuelle Not-stand bei Stephanie überhand nimmt.
Doch die „klaren Verhältnisse“ geraten außer Kontrolle: aus einer lakonischen Kurzgeschichte von Craig Davidson über Randfiguren der Gesellschaft entstand unter Jacques Audiards meisterlicher Regie ein kühles Psychogramm von Persönlichkeiten, die versuchen ihre seelischen und körperlichen Macken in den Griff zu bekommen. Toll Marion Cotillard und vor allem der belgische Schauspieler Matthias Schoenaerts: schon jetzt eine Entdeckung dieser Filmfestspiele!