Deutsche Regisseure mussten in diesem Jahr daheim bleiben und den Smoking im Schrank lassen – zumindest was den Internationalen Wettbewerb angeht. Deutsche Produzenten waren dagegen wieder im Dutzend präsent. Ebenso die Spitzen deutscher Filmförderung: allen voran Petra Müller von der Film-und Medienstiftung Nordrhein-Westfalen. Sie verwaltet einen Etat, von dem anderswo nur geträumt werden kann. Zum Beispiel in Mexiko: deshalb hat NRW über die Kölner „Pandora“-Filmproduktion den Mexikanischen Wettbewerbsbeitrag „Heli“ im großen Stil kofinanziert. Gestern ist das Debut von Amat Escalante für die „Beste Regie“ ausgezeichnet worden. Darüber kann man sich auch an Rhein und Ruhr freuen!
Heli, ein Polizeischüler, kann seine kleine Freundin nicht zur Ausbildung mit nehmen. Da geht es unter anderem um die Vernichtung eines Drogenlagers.
Der junge Mann lässt sich verleiten, ein paar Pakete Heroin für sich abzuzweigen. Das hat fürchterliche Folgen. Dass die mexikanischen Drogenkartelle und ihre Helfershelfer nicht zimperlich sind, wenn ihnen jemand ins Handwerk pfuscht, wissen wir aus Literatur, Film und Fernsehen. Regisseur Escalante war in dieser Beziehung nun ziemlich kreativ und begründet damit wohl die Auszeichnung: Das von ihm ausführlich illustrierte Abflämmen von Geschlechtsteilen als besonders fiese Foltermethode ist neu im Kino…
Adèle ist ein ziemlich rabiates Kind der Oberstufe. Wer sich mit ihr anlegt, kann leicht eine fangen. „La vie d’Adèle“ des französisch-tunesischen Regisseurs Abdellatif Kechiche war mit knapp drei Stunden der längste Film des diesjährigen Festivalprogramms.
Dabei hat der Film im eigentlichen Sinn keine Handlung. Geduldig beobachtet die Kamera und damit auch der Zuschauer, die Freundschaft zwischen Adèle und Emma.
Dabei ist weniger der Verlauf einer Mädchenfreundschaft vom Anfang bis zum bitteren Ende von Bedeutung, sondern das Zwischendrin: was seinem Mexikanischen Kollegen die Gewalt, ist Kechiche der lesbische Sexualakt. Das hat man derart detailreich auch noch nicht gesehen. So interessant dass ja für den in dieser Beziehung weniger gebildeten männlichen Hetero sein mag, zwei Stunden weniger hätten auch gereicht. Jedenfalls „La vie d’Adèle“ hat die diesjährige „Goldene Palme“ bekommen und zwar – eine Novität – nicht nur der Regisseur, sondern zu gleichen Teilen auch die beiden Hauptdarstellerinnen. Bei so viel Körpereinsatz ist das nicht mehr als recht und billig und musste belohnt werden.
Den „Grand Prix“ von Cannes bekamen die Coens, der Rest der Auszeichnungen wurde mehr oder weniger sinnvoll an die Besten eines insgesamt überdurchschnittlichen Jahrgangs nach dem Gießkannen-Prinzip verteilt.
P. S.Eine Revolution kündigt sich für Cannes an: Präsident Gilles Jacob hat tatsächlich für 2015 seinen Rücktritt angekündigt! Der junge Mann (83) wird doch nicht krank sein…?