Keine Frage, das war ein Höhepunkte „Berliner Filmfestspiele 2014“: die gestrige Premiere der digital restaurierten Fassung von „Das Cabinet des Dr. Caligari“, die der amerikanische Avantgarde-Musiker John Zorn live an der Orgel begleitete. In diesem Zusammenhang fällt um so mehr auf, dass es den Film in Deutschland nur als Importe auf DVD gibt. Dafür aber in drei unterschiedlichen Fassungen. Dank Internet kann man sie sich ins Haus bringen lassen.
„Es ist die ursprüngliche Energie, mit der alle Faktoren zusammenwirken, die Frische, die Atmosphäre des Wagnisses, der Reiz der Überraschung, die den Elan dieses Films ausmachen!“ Das schreibt Rudolf Kurtz in seinem Standartwerk „Expressionismus und Film“ 1926. „Das Cabinet des Dr. Caligari“ hatte 1920 in Berlin Premiere und gehört zu den wegweisenden Kunstwerken des 20. Jahrhunderts: ein dämonischer Machtmensch benutzt ein Medium um zu Morden und damit die Gesellschaft aus den Angeln zu heben. Dr. Caligari ist damit der Urbösewicht der Filmgeschichte: das Vorbild von Dr. Mabuse bis zu den Bond-Gegenspielern, Freddy Krüger. Aber auch von Hitler und Konsorten: Siehe Kracauer: „Von Caligari zu Hitler.
Regisseur Robert Wiene lässt seine Darsteller Conrad Veit, Werner Kraus und Lil Dagover extrem stilisiert in gemalten expressionistischen Kulissen agieren. Dadurch bekommt sein Film nicht nur eine unvergleichliche Aura, sondern eine bezwingend magische Atmosphäre, die bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt hat.
Obwohl es sich bei „Das Cabinet des Dr. Caligari“ um ein Schlüsselwerk der deutschen Filmgeschichte handelt, wurde es bisher nicht in Deutschland auf DVD veröffentlicht ist. Die gestern in Berlin präsentierte digitale restaurierte Fassung zeigt Arte am 12. Februar im Fernsehen.
Da Bertelsmann Sponsor des „Caligari“-Projekts ist, darf wohl davon ausgegangen werden, dass die DVD/Blu-ray bei Universum, einer Tochter des Medienunternehmens, erscheinen wird.
Bereits seit dem Jahr 2000 wird in den USA ein „Caligari“ in akzeptabler Fassung und einer neu komponierten Musik angeboten – sie beruht auf der wiederhergestellten Originalfassung. Dazu gibt es einen kundigen Audiokommentar des Filmhistorikers Mike Burk, der eine allgemein verständliche Einführung in das Werk gibt.
Außerdem im Bonusteil dieser DVD: Robert Wienes nach „Caligari“ gedrehter Film „Genuine“, von dem allerdings nur Fragmente er-halten sind.
Ganz ohne Bonusmaterial, dafür aber mit einer technisch besseren Fassung und einer Kompilation der Originalmusik von Giuseppe Becce wartet die erst kürzlich in Frankreich erschienene DVD „Das Cabinet des Dr. Caligari“ auf. Sie enthält die Fassung der „Cinematheque Francaise“, die unter anderem als Ausgangsmaterial für die Digitalisierung diente.
Außerdem die originalen deutschen Zwischentitel von 1920, die bereits für die amerikanische Exportfassung verändert wurden. Abzuraten ist dagegen von einer, mit unter zehn Euro extrem billigen „Caligari“-DVD, die ebenfalls im Internet angeboten wird. Darauf befindet sich eine um 20 Minuten gekürzte Fassung des Films, die in den 1960er Jahren auch in den deutschen Kinos zu sehen war.
Also wenn schon denn, sollte man die ca. 30 Euro für die in der Pariser „Collection cine-club“ veröffentlichen DVD anlegen und als zweite Wahl und 20 Euro billiger die Fassung, die auf der Exportversion beruht, die sich im MoMa befindet. Oder weiter darauf warten, bis die Murnau-Stiftung/Bertelsmann ihre Fassung letzter Hand auch der Allgemeinheit zugänglich macht… Immerhin wer ein Kino sein Eigen nennt, kann den makellosen „Caligari“ ab 17. Februar auf DCP in 4K ordern…