Deutschland 2010 – Regie: Gert Steinheimer, mit Johanna Klante, Nikola Kastner, Adrian Topol, Berhard Bulling.
Zumindest die Kuckucksuhr funktioniert im „Wunderlehof“ im „Hexenloch“, einem entlegenen Schwarzwaldtal. Damit hat es sich dann aber auch mit der Gemütlichkeit: Es ist ein finsterer Ort, den sich die beiden Pärchen Mike & Susanne und Jürgen & Eva für ihre Alternativferien ausgesucht haben. Sie erhofften sich eine rustikale Idylle, in der es fließendes Wasser nur nebenan im Wildbach gibt. Schnell kommt am Busen der Natur aber Langeweile auf. Trotz ausdrücklichen Verbots brechen die jungen Leute eine verschlossene Tür auf.
Dahinter finden sie einen defekten, dafür aber übersinnlichen Fernseher: Der Teufelskasten überträgt Beiträge, die nicht in der Programmzeitschrift stehen. Zum Beispiel eine Kochsendung, die zur Herstellung südbadischer Spezialitäten – wie Pilzragout – anregt:
Leider handelt es sich bei den vom Fernsehkoch so nachdrücklich empfohlenen Schwarzwaldpilzen nicht um Champignons, sondern um den giftigen Knollenblätterpilz. Vor dem verhängnisvollen Verzehr werden die vier mit der Pilzsuche unvertrauten Sommerurlauber von einem Wanderer gewarnt, der sich im dunklen Forst verirrt hat und dem sie hilfsbereit für die Nacht Quartier gewährten. Doch dann melden die Spätnachrichten, dass es sich bei dem Mann um einen polizeilich gesuchten Serienkiller handelt. In Panik greift eine der jungen Damen zum großen Metzgermesser und ersticht den unheimlichen Gast. Damit bricht vollends der Schrecken im „Black Forest“ aus – vom Fernseher manipuliert gehen die vier aufeinander los:
Grimme-Preisträger Gert Steinheimer hat sich als Autor und Regisseur solider Fernsehkost einen Namen gemacht. Er kennt sich aber auch bei amerikanischen Horror-Fabrikanten aus: Was für Stephen King das herbstliche Maine, ist für Steinheimer der Südschwarzwald, wo er vor 66 Jahren geboren wurde. Die Realisierung von „Black Forest“ als erstem Schwarzwälder Horrorfilm war für ihn die Erfüllung eines Lebenstraums.[media id=113]
Leider entwickelte sich das Projekt für Gert Steinheimer zu einer unendlichen und vor allem unerfreulichen Geschichte. Mehrfach wechselte er die Produzenten, überarbeitete entsprechend das Drehbuch. Immerhin trug die heimatverbundene Medien-und Filmgesellschaft Baden-Württemberg ein Schärflein bei. Auch über die jetzt zur Uraufführung stehende Fassung von „Black Forest“ kam es zwischen Steinheimer und dem Hauptproduzenten, der EKD-eigenen „Eikon Südwest“, zum Zerwürfnis. Die Firma gilt gemeinhin als besonders belastungsfähig in komplizierten Angelegenheiten.
Zwar begleitet der Regisseur die Premiere seines Films in Titisee-Neustadt, macht aber keinen Hehl daraus, das diese Version nicht seinen Segen hat.
Durch den schwierigen Entstehungsprozess von „Black Forest“ erklären sich vielleicht die bisweilen ungelenke Inszenierung und die logischen Brüche in der Handlung. Es ist nicht zu übersehen, dass hier viele Köche zugange waren. Sorgfältig dramatugisch Aufgebautes wechselt sich mit purer Schlamperei ab, Satire mit blutigem Ernst.
Warten wir also auf Gert Steinheimers Director’s Cut – und lassen uns überraschen. Schon jetzt ist „Black Forest“ jedenfalls ein Lehrbeispiel dafür, wie die Produktion eines Horrorfilms von realem Horror eingeholt werden kann.
Gert Steinheimer im Interview zu den Unwegsamkeiten bei der Produktion von „Black Forst“ – in der Sendung SWRcont.ra Film:
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glottertal
„Immerhin trug die heimatverbundene Medien-und Filmgesellschaft Baden-Württemberg ein Schärflein bei.“ – vielleicht kann man erfahren, wie viel Hunderttausend Euro dieses „Scherflein“ betrugen. Laut dem Verriss in FILMECHO/FILMECHO soll es ein nicht nachzuvollziehend hoher Betrag gewesen sein. Filmspaicher weiss doch sicher genaueres… .
Herbert Spaich
Filmspaicher weiß, dass BLACK FOREST bisher rund 430 000 € MfG-Förderung (Produktionsvorbereitung/Produktion/Weltvertrieb) erhalten hat. Über die Verleihförderung wird nächste Woche entschieden!
glottertal
Oha: Ein Film, der unisono vernichtende Kritiken erhält, selbst von seinem Macher als misslungen erklärt wird, bekommt als Belohnung auch noch „Verleihförderung“?
Marianne Winterhalter
„Es ist nicht zu übersehen, dass hier viele Köche zugange waren.“ Dieser Eindruck mag für den Verfasser der oben stehenden Kritik entstanden sein. Bei Kenntnis der Enstehungsgeschichte zu „Black Forest“ erscheint dieses Zitat jedoch in einem völlig anderen Licht. Denn selten konnte ein Autor/Regisseur „sein“ Projekt derart ungestört und autokratisch von Einflussnahmen realisieren, wie in diesem Fall. Im Filmgeschäft hat es sich ja komplett durchgesetzt, Drehbuch und Regie in unterschiedliche Hände zu geben. Auch hochdekorierte Autorenfilmer vertrauen sämtlich auf den Mehrwert durch Co-Autoren, Hollywood trennt hier sowieso.
Gert Steinheimer durfte dagegen sein Drehbuch 1zu1 und ohne Einflussnahmen verfilmen und schneiden – und hat dies dann auch konsequent getan. Schauspieler, Drehorte und Team wurden nach seinen Wünschen zusammengestellt, das Vertrauen in die Künste des Grimme-Preisträgers war zunächst fast grenzenlos. Erste Zweifel kamen beim Dreh. Steinheimer machte, über jede Kritk erhaben, weiter sein Ding.
Nach Sichtung des Directors Cut kam dann für Einige das böse Erwachen. Um nun alle Beteiligten vor einem größeren Imageschaden zu bewahren, versuchte in der Folge ein erfahrener Dramaturg wenigstens noch zu retten, was zu retten war. Man beseitigte mit sehr behutsamen Eingriffen die gröbsten Logikfehler, Peinlichkeiten und Längen für die nun gezeigte Kinofassung. Dieses Bemühen um Seriösität und Anspruch musste fulminant scheitern. Das Trashige, das Amateurhafte und der Charme eines Schülerprojektes scheinen weiter in jedem Moment des Filmes durch. Black Forest trägt nur eine Handschrift – nicht die, vieler Köche.