Deutschland 2010 – Regie: Niki Stein. Mit Silke Bodenbender, Felix Klare, Kai Wiesinger, Susanne von Borsody
Es fängt ganz harmlos an: freundliche Menschen laden zu einem Persönlichkeitstest ein. Ganz unverbindlich. Allgemein und damit anscheinend unverfänglich sind die Fragen gehalten, die beantwortet werden sollen. Bei der Auswertung durch geschultes Personal stellt sich heraus, dass der Klient leider ein bisher verdrängtes psychisches Problem hat.Kein Grund zur Beunruhigung! Nur sollte darüber dringend gesprochen werden. Aufarbeitung tue Not – bevor sich der kleine seelische Defekt zu einer ernsthaften Störung der Persönlichkeit auswachse. Die netten Menschen bieten sich als Helfer an, fragen beharrlich nach und vor allem: hören zu. Wer hat nicht etwas auf dem Herzen, das er schon immer erzählen wollte, aber dafür keinen neutralen Zuhörer fand. Eine Kombination aus Beichtvater und Psychotherapeuten.
Nachdem sich der Klient alles von der Seele geredet und damit seinem Gegenüber intime Einblicke in seine Persönlichkeit gegeben hat, wird ihm von seinem Helfer die Rechnung präsentiert: Wer vollends glücklich werden will, sollte weitere Selbstfindungskurse besuchen, die dann Tausende kosten. Danach wird man erst zum wahren „Scientologen“ und zum vollwertigen Mitglied der Gemeinschaft.
Schleichend, mit allen Finessen der psychologischen Manipulation geschult, bringen Scientology-Mitarbeiter Mitmenschen dazu, sich der Organisation anzuschließen. Dabei geht es der Firma des Lafayette Ronald Hubbard nicht um die Glückseligkeit der Menschen, sondern darum, das Vermögen seines Unternehmens zu mehren. Das geht solange, bis dem Mitglied nichts mehr bleibt und zwar in jeder Beziehung: am Ende ist er von der Organisation psychisch und materiell total abhängig!
Zum ersten Mal zeigt der vom Südwestrundfunk maßgeblich betreute Film, die raffinierten Methoden, mit der es Scientology immer wieder gelingt, Menschen von der perfekt durchorganisierten Firma abhängig zu machen. Nüchtern schildert „Bis nichts mehr bleibt“ wie ein junger Familienvater in die Fänge der Scientologen gerät. Ohne dabei ins Melodramatische oder Spekulative abzurutschen, ist Regisseur Niki Stein das stimmige Portrait einer Verführung gelungen. Daran zeigt sich, dass für das Projekt „Bis nichts mehr bleibt“ jahrelang innerhalb und außerhalb der Organisation der Scientologen minutiös recherchiert wurde.
Mit Silke Bodenbender und Felix Klare in den Hauptrollen vorzüglich besetzt, zeigt Niki Stein in „Bis nichts mehr bleibt“ auf beklemmende Weise eine Nachtseite unserer Gesellschaft, gibt einen Einblick in eine Parallelwelt, die mit autoritären Doktrinen eine Gefahr für unser demokratisches Gemeinwesen bedeutet: „Bis nichts mehr bleibt“ weist so über die konkrete Beschreibung der Scientology-Organisation hinaus zu ähnlichen Gruppierungen und Sekten, die in den Grauzonen der Gesellschaft ihr Unwesen treiben. Ein enorm wichtiger Film; ein in jeder Beziehung notweniger Anstoß, über die Gefährdungen einer freien, offenen Gesellschaft nachzudenken!
Sendung am Mittwoch, 31. März 2010 – 20.15 Uhr im Ersten
Die Besprechung des Films im „Journal am Morgen“:[media id=99 width=320 height=20]