Kein Bestseller und sei er noch so literarisch komplex, der nicht über kurz oder lang verfilmt würde: jetzt war die Reihe an „Nachtzug nach Lissabon“, das schwierige Werk des Schweizer Philosophie-Professors Pascal Mercier. Allein von der deutschen Ausgabe wurde über zwei Millionen Exemplare verkauft. Regie bei der internationalen Koproduktion mit Jeremy Irons in der Hauptrolle führte der Däne Bille August, der in der Vergangenheit bereits Bestseller wie „Fräulein Smilas Gespür für Schnee“ und „Das Geisterhaus“ für das Kino aufbe-reitete. Die Uraufführung des Films „Nachtzug nach Lissabon“ fand heute Abend im Rahmen der Berlinale statt. Außerdem mit dabei August Diehl, Martina Gedeck, Christopher Lee u. a.
Ein Tief über Bern. Es gießt in Strömen. Auf dem Weg zur Schule, in der er alte Sprachen unterrichtet, kann Professor Raimund Gregorius (J.I.) im letzten Moment eine junge Frau davon abhalten, sich von der Kirchenfeldbrücke zu stürzen. Er nimmt die offensichtlich unter Schock stehende Unbekannte mit in die Schule. Kurz darauf ist sie verschwunden. Sie lässt ihren Mantel zurück, in dem Gregorius das in Portugiesisch verfasste Buch „Ein Goldschmid der Worte“ findet. Obwohl er sich auch in der Literatur Portugals auskennt, ist ihm der Autor Amadeu Prada unbekannt. Gregorius ist von der sprachlichen Raffinesse und der geistigen Kühnheit des kulturkritischen Essays überwältigt.
In Pradas Buch liegt eine Fahrkarte nach Lissabon: Gregorius sieht darin ein Zeichen des Autors und nimmt den nächsten Zug in die Portugiesische Hauptstadt, wo ihn ein lichter mediterraner Sommer empfängt. Er macht sich auf die Suche nach Amadeu Prada. Der Autor war im Hauptberuf Arzt und Aktivist der Nelken-Revolution. Seit langem ist der Freigeist tot. Der Gast aus der Schweiz besucht Weggefährten Pradas. Zum Beispiel einen alten Lehrer (C.L.).
Angesichts von Amadeu Pradas Leben für eine Veränderung der Gesellschaft als permanente persönliche Herausforderung, kommt sich Raimund Gregorius mit seiner Existenz als Schulmeister in der gemütlichen Schweiz faul und unbedeutend vor.
„Nachzug nach Lissabon“ gehört zu den Büchern der Gegenwart, die sich in Form und Inhalt einer Verfilmung entziehen. Zumal es sich bei der zweiten Hälfte um einen philosophisch-existentiellen Diskurs handelt, der schon den Leser auf eine harte Probe stellt. Der Film hat das Beste, d. h. das Machbarste aus der Vorlage gemacht. Selbst Autor Pascal Mercier äußerte sich nach der Premiere zufrieden…
Das ist ein Verdienst der versierten Regie von Bille August, der sich zurückhaltend an das vage angedeutete Handlungsgerüst gehalten hat, ohne sich auf dramaturgische Fisematenten einzulassen. Er sagt über die Arbeit an „Nachtzug nach Lissabon“:
„ Mir war klar, dass sich das Buch nicht in 120 Minuten Film umsetzen lässt. Also war ein Drehbuch nötig, das sich soweit wie möglich von der Vorlage löste. Und Schauspieler, die in der Lage sind, die Leerstellen emotional zu füllen. So hatten wir immerhin die Chance, uns dem Buch nähern“
Die Film „Nachtzug nach Lissabon“ ist ein solider Kompromiss geworden: gut gespielt, schön fotografiert. Vor allem eine Hilfe für die unter den angeblich zwei Millionen Lesern, die nach 150 Seiten schwächelnd das Buch zur Seite gelegt haben. Jetzt können sie nach knapp zwei Stunden erfahren, wie die Geschichte ausgeht….