Ältere Schüler quälen, demütigen und erpressen die Jüngeren: einer wehrt sich bis zur Selbstaufgabe. In Bildern voller Poesie und dann wieder von verstörender Kraft, erzählt der Film des jungen kasachischen Regisseurs Emir Baigazin eine wuchtige Passionsgeschichte, die an Andrej Tarkowskij erinnert: der bittere Titel „Harmony Lessons“. Mit den harmonischen Lektionen ist es nicht weit her im Leben des 13jährigen Arslan. Eine filmische Sensation, in einem bisher nicht gerade an Höhepunkten reichen Berlinale Wettbewerb. Der 29jährige Regisseur sagte heute Nachmittag in seiner Pressekonferenz.
„In dem Film steckt ganz viel von mir als ich in dem Alter von Arslan war. Von den Qualen in einer total reglementierten Gesellschaft seinen Weg zu gehen. Dabei der Gewalt und der Ignoranz der Erwachsenen hilflos ausgeliefert zu sein. Ein Stück Befreiung…“
Regisseur Baigazin hat den Stoff von „Harmony Lessons“ übrigens 2008 im Rahmen des Berlinale Talentcampus entwickelt und mit Hilfe eines deutschen Koproduzenten realisiert. Ohne Hilfe aus Europa hätte der Rumäne Calin Peter Netzer auch seinen Film „Child’s Pose“ selbst mit einem minimalen Budget nicht realisieren können. Der ebenfalls knapp 30jährige Regisseur ist in Stuttgart aufgewachsen, lebt aber seit 20 Jahren in Bukarest.
Auch „Child’s Pose“ handelt vom Abschied von den Eltern in einer korrupten Gesellschaft und ist in seiner vorzüglichen Handhabung der filmischen Mittel ein weiterer „Bären“-Kandidat in diesem Jahr…
Es regnet in Strömen: der vom Vater für seine beiden halbwüchsigen Kinder liebevoll geplante Urlaub in einer Feriensiedlung fällt buchstäblich ins Wasser. Das heißt, nicht einmal das Thermalfreibad darf wegen Gewitterneigung benutzt werden und Fernsehen gibt es auch nicht. Ein Familiendrama der besonderen Art…
„Tanta Agua/So viel Wasser“ haben Ana Guevara und Leticia Jorge aus Uruguay ihr Regie-Debut genannt, das im „Forum“ der Berlinale Premiere hatte. Auch ein typisches Beispiel für das neue globale Kino einer jungen Filmemacher-Generation. Dazu gehört der fast spielerische Umgang mit den Stilmitteln des Spielfilms in Kombination mit einem dokumentarischen Blick auf die Welt. Anna Guevara:
„Details sind uns wichtig. Wir finden, sie geben den Charakteren eine unverwechselbare neue Dimension. Es soll in unserem Film etwas zu entdecken geben“.
Entdeckerfreude und eine unverkrampfte Lust am Filmemachen zeichnet die neue Regisseur-Generation aus und lässt einen beruhigt in die Zukunft der Kinematographie blieben. Diese Zukunft wird in Rumänien, Uruguay oder Kasachstan geboren und bestimmt nicht in den Filmfabriken zwischen Babelsberg und Los Angeles!