Deutschland 2012
Regie: Christian Petzold
Mit Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Jasna Fritzi Bauer, Mark Waschke, Rainer Bock
Kinostart: 8. März 2012
Komplizierte gesellschaftliche Verhältnisse im Spiegelbild der Seelenlandschaften seiner Protagonisten haben Christian Petzold berühmt gemacht. 2001 beschäftigte er sich z. B. in „Die innere Sicherheit“ mit dem familiären Nachbeben ehemaliger Angehöriger der RAF. In seinem neuen Film „Barbara“ geht es um den Versuch eines Ausbruchs aus der Unfreiheit der DDR. Petzolds Film galt als der Favorit der diesjährigen Berlinale für den „Goldenen Bären“. Bekommen hat er schließlich „Silber“ für die beste Regie.
Der Stasi-Offizier (Rainer Schütz) hat nicht unrecht mit seiner Einschätzung von Barbara (Nina Hoss): „Wenn sie sechs Jahre alt wäre, würde man das ‚Schmollen‘ nennen.“ Die junge Ärztin verweigert sich trotzig den geschrieben und ungeschriebenen Gesetzen des real existierenden Sozialismus in der DDR. Deshalb ist ihre Strafversetzung aus der Berliner Charité in ein Provinzkrankenhaus bei Rostock als Erziehungsmaßnahme des Staates zu verstehen. Barbara hat es gewagt, einen Ausreiseantrag zu stellen. Seitdem wird sie von der Stasi auf Schritt und Tritt verfolgt.
Barbara lässt sich nicht einschüchtern. Nachdem sie weiß, dass ihr Ausreiseantrag nicht genehmigt wird, hat sie bereits konkrete Fluchtpläne in den Westen. Ihren neuen Kollegen und Kolleginnen begegnet Barbara betont reserviert. Ihr Vorgesetzter, der Stationsarzt André (Ronald Zehrfeld), versucht das Eis zu brechen ohne Erfolg…
Am nächsten Tag liefert die Volkspolizei ein junges Mädchen (Jasna Fritzi Bauer) ein. Sie ist aus einem Erziehungsheim davon gelaufen und offensichtlich krank. Barbara kümmert sich um Stella. Vor allem als sich heraus stellt, dass sie schwanger ist.
Bisher waren die Verhältnisse in Barbaras Leben klar. Hier das Gefängnis DDR, aus dem sie unter allen Umständen weg will. Da die Freiheit in der Bundesrepublik, in der ihr Freund (Mark Waschke) lebt.
Es ist charakteristisch für die Filme von Christian Petzold, das immer alles anders ist, als es den Anschein hat. Man kann sich seiner nie sicher sein. Auch in Petzolds diesjährigem Berlinale-Erfolg „Barbara“ . Der Regisseur und sein ständiger Drehbuchautor Hans Fromm lassen ihre Protagonistin neue emotionale Bindungen eingehen, die ihr bisheriges Lebenskonzept aus den Angeln heben.
Plötzlich geht es nicht mehr allein um die eigene Existenz, sondern um Verantwortung gegenüber dem Nächsten, Barbaras Selbstverständnis als Mensch und Ärztin. Diesen Umbruch in ihrem Bewusstsein macht Christian Petzold mit gewohnter Meisterschaft deutlich; ohne dass sein Film zum moralinsauren Traktat über Flüchten oder Standhalten wird. Nina Hoss, wie immer einzigartig schön und von großer Ausdruckskraft, macht aus Barbara eine Persönlichkeit, die über sich selbst hinauswächst. Ganz beiläufig entwickelt Petzold vor dem Hintergrund der subtilen Gewalt in der DDR der 1980er Jahre einen Diskurs über die innere und äußere Freiheit des Menschen. Das ist große Kunst. Deshalb hätte Petzolds Film bei der diesjährigen Berlinale nicht nur Silber, sondern Gold verdient!