Zwischen Jahrmarkt und Denkmal: Ausnahmepersönlichkeiten sind von jeher beliebt. Zwischen Verehrung und ironischem Blick reicht das Spektrum der zeitgenössischen Dokumentarfilmer auf Mitmenschen, die Ungewöhnliches zu leisten in der Lage sind – sei es physisch, mental, intellektuell oder von allem ein Bisschen. Auch der eine oder andere Schelm ist darunter. Im Kino eher selten boomen entsprechende Dokumentationen auf DVD oder-Blu-Ray-Markt. Hier eine zufällige Auswahl:
Keiner weiß, wer Banksy ist: als Street-Art-Künstler hinterlässt er allerdings unübersehbare Spuren. Einer, der seine Kreativität Nächtens an Hauswänden, Unterführungen oder Brückenpfeilern auslebt. Nicht zu jedermanns Freude. Deshalb kultiviert Banksy sein Image als Phantom und Bürgerschreck.
Banksy hat „Exit through the gift shop“ über Banksy gedreht. Eine lustig-schräge Parodie auf die Ernsthaftigkeit von Dokumentarfilmen über Künstler. Die Premiere fand im vergangenen Jahr bei der Berlinale statt. Wobei der Film weniger Beachtung fand als die Frage, weilt Banksy in cognito an der Spree oder nicht. Wer den äußerst witzigen Film im Kino verpasst hat, für den gibt es ihn jetzt auf DVD von Alamode. Im Bonusteil ein weiteres Banksy-Werk „Life remote control“ und „B-Movie“, einen Film über ihn. Beide ziemlich frech und höchst unterhaltsam.
Ganz anders als Banksy – und ihm doch als Weltenbummler verwandt, der neue Erfahrungen, d.h. heißt neue Musik und neue Künstler sammelt, ist Manfred Eicher. Mit seinem Musiklabel „ECM Records“ hat er sich als bedeutender Entdecker und Vermittler zeitgenössischer und klassischer Musik einen Namen gemacht. Die beiden Schweizer Filmemacher Peter Guyer und Norbert Wiedmer haben Eicher auf seinen Erkundungsreisen rund um den Globus begleitet. Das Ergebnis ist der Dokumentarfilm „Sounds and Silence“, über die Magie der Musik und das Leben mit Musik. Auf DVD ist er bei Arsenal erschienen. Die Musik ohne Bild kann man sich auf einer CD von ECM ins Haus holen.
Ein anderes Leben mit Musik: der Arrangeur und Band-Leader James Last. Der Dokumentarist und Direktor der Filmakademie Baden-Württemberg, Thomas Schadt, hat 1999/2000 seinen Film „My way James Last“ gedreht; Arthaus Musik ihn jetzt auf DVD veröffentlicht.
Im Booklet schreibt Schadt: „So ist ein Dokumentarfilm, ein Porträt, entstanden, dass ich gerne als Hommage an James Last bezeichnen möchte. Ich wollte ihm mit diesem Film einfach etwas von dem zurückgeben, was wir mit ihm erleben durften, was wir von ihm lernen konnten“.
Das ist Thomas Schadt mit „My way“ gelungen: das Musterbeispiel eines Porträtfilms. Mithin ein Reverenzstück für Schadts Ludwigsburger Studenten. Im Bonus der DVD ein charmantes Interview, das Anja Höfer im vergangenen Jahr für die SWR-Sendung „Wortwechsel – Wie geht’s eigentlich?“ mit James Last geführt hat.
James „Hansi“ Last: Nach wie vor ein netter Mensch – in Würde gealtert. Gleichwohl kann er seinen Erfolg immer noch nicht ganz verstehen. Seiner Bedeutung immer sicher, war dagegen Klaus Kinski. Wer ihn interviewte, musste damit rechnen, den Schauspieler in Rage zu erleben, wenn ihm eine Frage nicht passte oder er den Interviewer auflaufen ließ – am liebsten beides vor laufender Kamera.
Auf den Erfolg der DVD „Kinski Talks“ ließ sein Nachlassverwalter Peter Geyer jüngst „Kinski Talks 2″ folgen – diesmal mit Kinski in der „NDR Talk Show“ im Oktober 1985. Eine nach Kinski-Art peinliche Veranstaltung, mit einer hilflosen Moderatorin, der alsbald Hören und Sehen vergeht…
Noch spannender: Klaus Kinski in „Zeit zu Zweit“, einem jener tragischen Versuche des Bayerischen Rundfunks, einen Talk jenseits des Üblichen im deutschen Fernsehen zu etablieren. Als Moderatorin wurde die damals 17jährige Desire Nosbusch engagiert. Ihr Schlagabtausch mit dem Exzentriker Kinski wurde 1982 an der Atlantikküste gedreht, aber schamvoll erst drei Jahre später im Nachtprogramm versteckt.
Als reizvoller Kontrast dazu ein Interview, das der amerikanische Talkmaster Maxwell Montes 1986 mit Kinski geführt hat. Er konnte auch anders. Das Ganze auf der DVD „Kinski Talks 2“ von der Deutschen Grammophon Gesellschaft.
Der Franzose Philippe Petit und die Leidenschaft totaler Körper-beherrschung: Nach jahrelanger Vorbereitung balancierte er 1974 auf einem Drehtseil in 500 Meter Höhe von einem Turm des New Yorker World Trade Center zum anderen. Natürlich ohne amtliche Genehmigung. Deshalb wurde Petit anschließend von der Polizei verhaftet.
2009 hat der amerikanische Dokumentarfilmer James Marsh Petits spektakulären Drahtseilakt zum Anlass für seinen Film „Man on wire“ genommen. Auch das eine formal außergewöhnliche Beschreibung der Passion einer Ausnahmepersönlichkeit und dem Wagnis, sich einmal im Leben einen Traum zu erfüllen. „Man on wire“ wurde 2009 mit dem Oscar als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. Es gibt ihn auf DVD in mehreren Editionen von Arthaus.
Besonders gefährlich leben Formel 1-Fahrer für ihre Passion. Der 28-jährige Jochen Rindt verunglückte 1970 tödlich beim Abschlusstraining für den Grand Prix von Italien. 3sat hat zwei TV-Dokumentationen über Rindt auf einer DVD veröffentlicht: „Jochen Rindt lebt“ von Christian Gieser und „Jochen Rindts letzter Sommer“ von Eberhard Reuß. Ergänzt mit einem ausführlichen Booklet, gelang eine spannende DVD zum Hintergrund des „Formel-I-Faszinosum“.
Ganz spezielle Zeitgenossen sind Biker, die sich dem Chopperfahren verschrieben haben. Da geht zum lautstarken Sound ein Hauch von Easy Rider mit auf die Reise…
Diesen Bikern aus dem Herzen spricht die amerikanische Reality-TV-Serie „American Chopper“, die hierzulande vom Männer-Proll-Sender „DMAX“ ausgestrahlt wird. Es gibt sie auch auf DVD von Polygram: Folge sechs auf vier Discs. 640 Minuten für Regentage oder wenn der Chopper in der Werkstatt ist.
Wer von der Natur vernachlässigt wurde, kann seinem Body wenigstens äußerlich zu Kraft und Schönheit verhelfen. Er ruiniert damit zwar seine Gesundheit, aber die entsprechende Pharma- Industrie mit legalen und weniger legalen Pülverchen boomt: „Bigger, Stronger, Faster“ heißt die Dokumentation von Christopher Bell von 2008, die jetzt in der „HotDoks“-Reihe von Ascot Elite erschienen ist.
Im investigativen Stil eines Michael Moore eröffnet Bell mit seinem Film einen Blick in den Abgrund einer Grauzone, in der es nur vordergründig um Fitness geht. In Wirklichkeit aber um Profit, pathologischem Narzismus und Weltflucht. Zum Supermann oder zum Supergirl macht es einen nur vorübergehend. Ein bei aller Ernsthaftigkeit im Inhalt ein höchst origineller Film….
Die DVDs über und für konsequente Individualisten kosten zwischen 9 und 29 Euro.