Auf der „Piazza Grande“ mit der größten Leinwand Europas und Platz für 7000 Besucher sind schon mehrere für die Filmauswahl zuständige Direktoren des „Festival del Film Locarno“ gescheitert. Eingebrochen zwischen den Stühlen von Kommerz und Kunst. Der neue künstlerische Direktor Carlo Chatrian ist kein Unbekannter. Er gehört seit langem Mitarbeiterstamm der Filmfestspiele. Diese Erfahrung merkt man der diesjährigen Programmierung an. Auf der Piazza dominiert das gediegene Arthouse mit diskreten Ausflügen zum reinen Unterhaltungskino. Das fing gestern Abend mit dem jüngsten Werk des isländischen Ausnahme-Regisseurs Baltasar Kormakur an, wird über die erste Jussi Adler-Olsen-Verfilmung („Erbarmen“) und die schräge amerikanische Komödie „We’re the Millers“ fortgesetzt. Auf dem Programm steht aber auch die schöne „Gloria“, die diese Woche bereits in den deutschen Kinos angelaufen ist. Zum Auftakt wurde der 91jährige Christopher Lee geehrt. „2Guns“ ging dann fast ohne Regen über die Bühne…
Es knallt und kracht gewaltig in „2 Guns“: Angesichts des Trailers, den man bereits im Internet besichtigen kann, könnte man meinen, es handle sich dabei um eines der üblichen Spektakel um zwei geistig unterbelichtete Burschen, die sich mit viel Krawall im Stil von „Fast and Furious“ eine endlose Verfolgungsjagd leisten. Wenn dem so wäre, hätte es „2 Guns“ sicher nicht in die Auftakt-Gala eines A-Festivals wie Locarno geschafft…
Um Vertrauen geht es in „2 Guns“ – einem zentralen Thema des Regisseurs in allen seinen Filmen: Bobby ist „Special Agent“ beim nationalen Drogen-Dezernat, DEA, Michael dasselbe bei einer Sondereinheit der Navy zur Drogenbekämpfung. Doch davon wissen beide nichts. Sie haben nur die Anweisung zusammen zu arbeiten, um ein Drogenkartell aus den Angeln zu heben.
Dabei geht etwas schief und zwar ganz gewaltig. Anstatt der erwarteten drei Millionen Dollar, holen Bobby und Michael 43 Millionen aus den Tresoren einer als Geldwäscherei getarnten Bank.
Baltasar Kormakur führt in „2Guns“ Dumpfbacken vor, die sich im Gestrüpp des amtlichen Kompetenzwirrwars in den USA heillos verstricken.
Ihr Fehler: Sie lassen es erst einmal knallen, bevor sie denken. Zumal fraglich ist, ob sie dazu intellektuell überhaupt in der Lage sind. Soviel Hohn und Spott mussten sich die Amerikaner schon lange nicht mehr auf der Leinwand gefallen lassen. Und das auch noch von einem Isländer! Kein Wunder, dass die Filmkritik in USA darauf beleidigt reagierte. Regisseur Kormákur sagte dazu gestern Nachmittag und zum speziellen isländischen Humor:
„Humor ist in Hollywood von ausländischen Regisseuren unerwünscht. So wie Roland Emmerich dürfen sie gerne Action machen. Aber auf keinen Fall sich über amerikanische Verhältnisse lustig machen. Nun bin ich halt als Isländer ein humorvoller Mensch, den die Wikinger-Sagen unserer Vorfahren geprägt hat. Da geht es ziemlich brutal zu, aber auch sehr lustig“.
Das kommt auch in Baltasar Kormákurs Film „The Deep“ zum Ausdruck, den er von „2 Guns“ daheim auf Island gedreht hat und der im Moment in den deutschen Kinos zu sehen ist: ein Seemann überlebt den Untergang seines Schiffes, in dem er sich im offenen Meer treiben lässt und sich im Gespräch mit einer Möwe seinen Lebensmut erhält.
Baltasar Kormákurs vorzüglicher Film „The Deep“ führt im deutschen Kinoalltag leider nur ein Schattendasein. „2 Guns“ ist bei uns ab Anfang Oktober bei uns zu sehen.
Für seine Qualität spricht auch, dass die Besucher der Piazza Grande von Locarno trotz Blitz, Donner und Wolkenbruch bis zum verblüffenden Schluss ausgehalten haben und den ebenfalls durchnässten Regisseur bejubelten…