Die Arthaus Collection Literatur enthält keine Überraschungen! Ermöglicht aber das Wiedersehen mit einigen der gelungensten Literatur-Verfilmungen der letzten 60 Jahre aus der umfangreichen Kinowelt-Filmbibliothek.
Immer wieder eine Freude ist „Der Löwe im Winter“: Im Hause des englischen Königs Henry II. hängt der Haussegen schief: gerade in der angeblich so friedlichen Weihnachtszeit nehmen die Probleme für den in die Jahre gekommenen Monarchen überhand. Seine drei Söhne sind zutiefst zerstritten und die kurzfristig aus der Verbannung zurück gekehrte Gattin Eleanor macht nichts als Ärger.
Aus dem Broadway-Erfolg „The Lion in Winter“ von James Goldman machte der englische Regisseur Anthony Harvey 1968 einen opulenten Film, der höchst originell mit den Versatzstücken des Kostümfilms spielt.
Die geschliffenen Dialoge – interpretiert von Peter O’Toole und Katherine Hepburn – adeln den „Löwen im Winter“ auch schauspielerisch zu einem Hochgenuss. Auf DVD ihn also wieder von Kinowelt/Arthaus – zuletzt als Doppel-DVD „Ein Wiedersehen mit Katherine Hepburn“. Im Audiokommentar erläutert Regisseur Harvey launig seine Arbeitsweise.
Außerdem in der „Collection“ und wie immer repräsentativ verpackt neben Klassikern des Genres wie Orson Welles „Macbeth“-Adaption auch Filme, die man nicht unbedingt dazu zählen würde wie Fellinis „Casanova“. Das hat mit der Rechtelage und der Kunst der Verantwortlichen von Kinowelt Home Entertainment zu tun, den Filmbestand in immer neuen Varianten anzubieten, wobei der „Kultur-SPIEGEL“ allzeit hilfreich zur Seite steht.
Gleichwohl verdanken wir es diesem Umstand, jetzt auch Nicolas Roegs Thriller „Don’t look now/Wenn die Gondeln Trauer tragen“ von 1973 neu ediert zu bekommen.
Ebenfalls ein Werk, das weniger als Verfilmung einer kaum bekannten Kurzgeschichte der Daphne du Maurier in die Filmgeschichte eingegangen ist, sondern als besonders raffinierter Thriller mit ernstem Hintergrund: Ein vom Tod ihres Kindes traumatisiertes Ehepaar gerät in Venedig in einen Welt, in der sich die Grenzen zwischen Alptraum und Wirklich-keit verwischen. Der Bonusteil beschränkt sich bei dieser DVD auf den Trailer und dem beigeheften Booklett, das bei allen Arthaus-Collectionen obligat ist.
Mit „Six days oft he Condor“ hat James Grandy 1974 einen Schlüsselroman auf die gesellschaftspolitische Atmosphäre in den USA der frühen 1970er Jahre geschrieben – eine verunsicherte Nation zwischen Vietnam und Watergate.
Als Symbol einer aus dem Ruder laufenden Ordnungsmacht galt der Geheimdienst CIA und seine Instrumentalisierung durch die Politik. Auf der Grundlage von Gradys Buch drehte Sydney Pollack 1975 „Die drei Tage des Condors“.
Nachdem Kinowelt diesen Schlüsselfilm vor einiger Zeit auf Blu-ray wieder veröffentlicht hat, gibt es ihn jetzt innerhalb der „Arthaus-Collection Literatur II“ auch auf DVD: Als der CIA-Mitarbeiter Joseph Turner von einer Besorgung in sein Büro zurückkehrt, sind seine Kollegen in der Zwischenzeit ermordet worden. Es stellt sich schließlich heraus, das der CIA selbst hinter dem Anschlag steckt. In dem perfekten Verschwörungsthriller brillieren Robert Redford, Faye Dunaway und Max von Sydow.
Neben einem Audiokommentar Sydney Pollacks enthält die DVD als Bonus die Dokumentation „Mehr über den Condor“. Darin würdigt Robert Redfort zum Beispiel die Leistung des Bergman-Stars Max von Sydow in der Rolle eines müden Killers.„Die drei Tage des Condors“ löste eine Welle von Agenten-thrillern aus, die bis heute nachwirkt.
In den 1980er erlebte der bis dahin fast vergessene englische Schriftsteller E.M.Forster eine Renaissance im Kino. Das verdankte er dem Produzenten Ismail Merchant und dem Regisseur James Ivory. 1987 realisierte das Duo mit „Maurice“ einen ihrer typischsten Filme. Er wird von Kinowelt auch ab und zu neu auf DVD aufgelegt, jetzt eben in der Literatur-Collection II.
Maurice (James Wilby) und Clive (Hugh Grant) verbindet nicht nur das gemeinsame Studium in Cambridge, sondern ihre Homosexualität. Anfang des 20. Jahrhunderts ein absolutes Tabu. Delikat und mit einem Sinn für die Epoche inszenierte James Ivory die tragische Liebesgeschichte zwischen zwei Männern, die geradewegs ins Unglück führt. Der Bonusteil dieser DVD enthält neben Outtakes Interviews mit den Schauspielern.
Das Pendant zu „Maurice“, die Ivory Forster-Verfilmung „Zimmer mit Aussicht“ erschien übrigens dieser Tage in der „Arthaus Bild der Frau Love-Collection“….
Weniger Probleme mit ihrer Homosexualität als ihr Kollege Forster hatte eine Generation später Virginia Woolf. In ihrem 1928 zum ersten Mal erschienen Roman „Orlando“ reflektierte sie „Weiblich-Sein“ über vier Jahrhunderte in einem kühnen literarischen Experi-ment: der schön Adelige Orlando fällt in einen tiefen Schlaf, um als Frau wieder zu erwachen.
Sally Potters Verfilmung des „Orlando“ ist ein Musterbeispiel dafür wie aus artifizieller Literatur hinreißendes Kino werden kann – vor allem wenn einem eine Schauspielerin wie Tilda Swinton zur Verfügung steht, die mit dieser Rolle bekannt geworden ist.
Zum schönen Film gibt es auf der DVD Sally Potters Videotagebuch „Orlando geht nach Russland“, wo der Film 1992 teilweise gedreht wurde. Unkonventionelle Literaturverfilmungen in der „Arthaus Collection Literatur II“. Die 10 DVDs kosten zusammen im Schuber 94 Euro, einzeln je rund 10 Euro.