Sonntag, 13. März 2011- ab 20.15 Uhr
Arte ist früh dran: Hollywoods Hundertster wird eigentlich erst 2012 fällig. Aber einen so schönen Geburtstag kann man nicht früh-und oft genug feiern: den Auftakt des Themenabends macht „Sunset“ von Blake Edwards von 1988. Einer der letzten Filme des Regisseurs, der bei seiner Premiere 1988 desaströs floppte. Damals war Bruce Willis noch auf der Suche nach einem Image und mimte hier einen Tom Mix-Verschnitt. An der Ausstattung wurde bei „Sunset“ nicht gespart, um die Götterdämmerung der Stummfilm-Ära gegen Ende der 1920er Jahre zu illustieren. Das Ergebnis: Nette nostalgische Unterhaltung, der es freilich ein bißchen an Tiefe fehlt und die inzwischen Patina angesetzt hat. Wohl ein Ladenhüter aus dem Archiv, der noch einmal gesendet werden muss, bevor die Lizenz ausläuft. Um 22 Uhr folgt dann der Bonbon des Abends: „Die Carl Laemmle Story“ von Kai Christiansen, eine SWR-Produktion.
Die Geschichte Hollywoods hat ihre Wurzeln in der schwäbischen Provinz von Laupheim in der Nähe von Ulm. Hier wurde 1867 Carl Laemmle geboren. Der Sohn eines jüdischen Viehhändlers brach im Alter von 17 Jahren in die Neue Welt auf. Zunächst hielt er sich in Amerika mit Gelegenheitsjobs über Wasser.
Dann fand er im neuen Medium Films seine wahre Profession. 1912 war Laemmle der erste Filmproduzent, der im staubigen Kalifornien einen Studiokomplex in die Wüste baute. Obwohl er als Gründer von Universal Filmgeschichte schrieb, hat Laemmle bis zu seinem Tod 1939 Kontakt zu seiner Heimatstadt Laupheim gehalten und während der NS-Diktatur mehreren hundert Juden die Ausreise in die USA ermöglicht.
1931 gab Carl Laemmle mit „Dracula“ dem Kinoschrecken eine neue Dimension: mit Bela Lugosi in der Titelrolle wurde der Universal-Horror ein eigenes Markenzeichen. Es folgte „Frankenstein“ mit Boris Karloff als unglücklichem Mensch aus der Retorte. Die perfekte Inszenierung von Schattenwesen in einer aus dem Lot geratenen Welt Anfang der 1930er Jahre sind Filmgeschichte. Höhepunkt und gleichzeitig der Anfang vom Ende des ursprünglichen Familienunternehmens Universal.
Laemmle starb 1939. Sein Sohn war nicht in der Lage das Erbe des Vaters weiter zu führen. Zwar existieren die Universal-Studios bis heute. Sie haben aber mit den Ursprüngen unter Carl Laemmle so gut wie nichts mehr zu tun – ebenso wenig wie das frühe Hollywood mit der Gegenwart.
In Carla Laemmle, der Nichte Carl Laemmles, hat Kai Christiansens eine Zeitzeugin erster Güte entdeckt. So ist sein Film auch eine Hommage an Carla Laemmle: Jahrgang 1909 gehört die Schauspielerin zu den letzten lebenden Zeitzeugen der frühen Hollywood-Ära. Über ihren Onkel kam sie zum Film. Ihre erste Rolle spielte sie 1925 in der Laemmle-Verfilmung von „Das Phantom der Oper“:
Carla Laemmle berichtet vom revolutionären Aufbruch ihres Onkels in den Westen der USA aus eigener Anschauung. Das war 1912. Bis dahin war das Zentrum der amerikanischen Filmproduktion New York. Aus Platzgründen und der Konkurrenz wegen, zog Laemmle mit seiner Produktionsfirma nach Kalifornien. An der Peripherie von Los Angeles kaufte er eine Hühnerfarm, um darauf die Anfänge der Universal-City zu bauen.
Nicht nur geographisch, auch kommerziell gab der gelernte Kaufmann aus dem schwäbischen Laupheim dem Filmgeschäft entscheidende Impulse. Dazu gibt der Regisseur und Filmhistoriker Peter Bogdanowich in einem Interview Aufschluss, am Beispiel von John Ford, der seine Karriere bei Carl Laemmle begonnen hat. Filmgeschichte machte auch „im Westen nichts Neues“, den Laemmle, d. h. Laemmle Junior, 1929 nach dem Roman von Erich Maria Remarque produzierte.
Der geschäftstüchtige Laemmle richtete in seinen Studios Besuchertribünen ein, von denen aus man die Dreharbeiten miter-leben konnte – gegen Eintritt natürlich. Die „Keimzelle“ des heutigen Universal-Themenparks.
Kai Christiansen ist eine spannende Kulturgeschichte des amerikanischen Films gelungen, ohne das er sich dabei im anekdotischen Detail zu verliert.