England 2012
Regie: Ken Loach
Mit Paul Brannigan, Siobhan Reilly, John Henshaw
Kinostart: 18. Oktober 2012
Ken Loach dreht seit Anfang der 1960er Jahre Filme, die sich mit den Schattenseiten der englischen Gesellschaft beschäftigen. Sein unbestechlicher Blick auf die Verhältnisse hat ihn zu einem Chronisten unserer Zeit gemacht. Dabei entwickelte Loach eine einzigartige Kombination aus Dokumentar-und Spielfilm, die Filmgeschichte machte und vielfach kopiert wurde. Bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes überraschte Ken Loach mit einem Film, in dem er eine Geschichte vom Rand der Gesellschaft als Komödie erzählt. Das irritierte viele Kritiker. Ab morgen ist „Angels‘ share“ auch in den deutschen Kinos zu sehen, für den Loach mit dem „Grossen Preis der Jury“ des Festival de Cannes 2012 ausgezeichnet wurde.
Robbie hatte bisher nicht viel Glück im Leben. Die meiste Zeit war er in Heimen oder im Gefängnis. Jetzt steht der junge Mann wieder einmal vor Gericht. Während es sich bei seinen Kumpeln um groben Unfug handelt, den sie besoffen angerichtet haben, ist die Sache bei ihm diesmal ernster: Schwere Körperverletzung.
Der Richter hat ein Einsehen und gibt Robbie noch eine letzte Chance, sein Leben in Ordnung in zu bringen. Vor den Hintergrund, dass Robbie demnächst Vater wird, muss er unter Aufsicht eines Sozialarbeiters „gemeinnützige Arbeit“ leisten. Harry, so heißt der Sozialarbeiter, hat von Anfang an einen guten Draht zu Robbie und ein ungewöhnliches Hobby: Whisky! Nicht um sich zu betrinken, sondern um den edlen Brand zu genießen. Er nimmt Robbie mit zu einer Verkostung in einer vornehmen Destillerie. Der entdeckt bei dieser Gelegenheit an sich ganz neue Talente…
Mit Harry Unterstützung entwickelt sich Robbie zum Whisky-Experten, vertieft sich in die ebenso feine wie komplexe Welt des schottischen Nationalgetränks, besucht die wichtigsten Hersteller und Auktionen. Lässt sich in die Geheimnisse und das besondere Flair der unterschiedlichen Whisky-Sorten einführen. Zum Beispiel in das, was man „Angels‘ share“ nennt: der Alkohol, der im Laufe der Zeit verdunstet…
Da hat Robbie eine Idee: wenn der treuere Whisky ohnehin verfliegt dürfte es doch nichts ausmachen, wenn man vorher ein paar Flaschen abfüllen und zu Geld machen würde.
Robbies Rechnung geht erstaunlicher Weise auf: Dank „Angels‘ Share“ findet er den Weg in die bürgerliche Gesellschaft. Alles wird gut! Ungewöhnlich für einen Film von Ken Loach, in denen es meistens nichts zu lachen gibt. Diesmal verbindet er das ernste Thema mit einer heiteren Note. Dabei wird nichts verniedlicht oder schwierige Verhältnisse schön geredet: Robbie hat einen Menschen fast umgebracht, weil er sich nicht beherrschen konnte. Der Film zeigt aber, dass Veränderungen möglich sind, wenn man sich auf neue Ufer einlässt. Und sei es Whisky!
Den Weg seines Protagonisten auf ein exotisches Terrain beschreibt Ken Loach mit präzisem Blick auf die Verhältnisse und auf eine junge Generation, die sich vital und kreativ auf den Weg macht, aus der persönlichen Misere. Ein Ereignis ist der Hauptdarsteller Paul Brannigan, der sich praktisch selbst spielt. Zusammen mit dem sehr speziellen schottischen Humor ergibt „Angels’share“ einen Film, an den man sich gerne erinnert – weil er so unkonventionell hoffen lässt!