Deutschland 2011
Regie: Yasemin Samdereli
Mit Fahri Yardim, Vadet Erincin, Demet Gül, Denis Moschitto, Petra Schmidt-Schaller
Kinostart: 10. März 2011
Multikulti-Türken-Filme haben sich in letzter Zeit zu einem eigenen Genre entwickelt. TV-Serien wie „Türkisch für Anfänger“ sind Quotenhits, Feo Aladags Ehrenmord-Drama „Die Fremde“ wurde sogar für den Auslands-Oscar vorgeschlagen. Inzwischen scheint zum gelegentlich schwierigen Leben mit türkischen Wurzeln in der Bundesrepublik alles gesagt zu sein. Da überraschten die Schwestern Yasemin und Nesrin Samdereli (sprich: Schamderele) bei den diesjährigen Berliner Filmfestspielen mit ihrer Komödie „Almanya – Willkommen in Deutschland“, einer Geschichte türkischer Arbeits-Immigration nach Deutschland am konkreten Beispiel. So wie es bisher im Kino noch nie zu sehen war.
Die türkische Familie Yilmaz ist ein Muster-Beispiel gelungener Integration: Hüseyin(Vedat Erincin/Fahri Yardim) war um 1960 der ein Million einste Gastarbeiter in der Bundesrepublik. Später hat er seine Gattin Fatma(Lilay Huser/Demet Gül) und seine drei kleinen Kinder aus Anatolien zu sich nach Deutschland geholt. Aus allen ist etwas geworden. Trotzdem hat es lange gedauert, bis sich Yilmaz und Fatma dazu entschließen konnten, deutsche Staatsbürger zu werden.
Das die Familie immer noch irgendwie zwischen zwei Welten lebt, bekommt Cenk (Rafael Koussouris) zu spüren, der Jüngste in der Familie Yilmaz. Er ist in Deutschland geboren und hat eine deutsche Mutter. In der Grundschule macht er die Erfahrung, dass er weder für die türkische, noch für die deutsche Fußballmannschaft aufgestellt wird.
Den schwierigen Prozess der Integration in die deutsche Gesellschaft und die Frage nach den kulturellen Wurzeln, haben Nesrin und Yasemin Samdereli zum Anlass für eine außergewöhnlich charmante Komödie genommen: In „Almanya – Willkommen in Deutschland“ schildern die beiden Schwestern das Leben in Deutschland im Laufe von 40 Jahren konsequent aus türkischer Innenperspektive. Da kamen Yilmaz und Fatma zum Beispiel völlig unvorbereitet in ein Land, in dem eine fremde Sprache gesprochen wird. Mit dramaturgisch gewagtem, aber funktioniertem Kunstgriff lassen die Filmemacherinnen die Deutschen ein unverständliches Kauderwelsch sprechen.
Die Leute in Almanya reden nicht nur seltsam, sondern haben auch eigenartige Angewohnheiten: so verehren sie einen entsetzlich zugerichteten, an die Wand genagelten Toten und feiern Feste, deren Sinn ebenfalls schwer nachvollziehbar ist.
Bei ihrem Drehbuch zu „Almanya – Willkommen in Deutschland“ ließen sich Nesrin und Yasemin Sandereli von der eigenen Familienchronik inspirieren: dazu gehört der beängstigende Heiland am Kreuz ebenso wie die Erfahrung türkischer Kinder mit Weihnachten.
Ganz und gar unverkrampft führen die Samderlis in ihrem Film vor, wie kulturelle Integration funktioniert. Obwohl es bei „Almanya – Willkommen in Deutschland“ viel zu lachen gibt, haben die Filme-macherin dabei nie die Sensibilität aus dem Blick verloren, die bei diesem Thema geboten ist. Das gibt dem Film in Zeiten eines Tilo Sarazins ein ganz besonderes Gewicht!
Dazu ein Gespräch mit Yasemin (Regie) und Nesrin (Buch) Samdereli, das Herbert Spaich geführt hat:
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