Am Samstag ist mit Alain Resnais eine der letzten Ikonen der Nouvelle vague gestorben. Bis zu letzt ungebrochen kreativ mit hinreißenden Etüden über die Vergangenheit und die Erneuerung durch die Jungen. Johann Strauß und die Liebe zum Leben: „Aimer, Boire et Chanter“. Der Titel des letzten Films von Alain Resnais: vor vier Wochen urauf-geführt bei den diesjährigen Berliner Filmfestspielen. Die Geschichte eines Totkranken, der noch einmal mit den großen Lieben seines Lebens eine Ferienreise machen möchte…
Georges, über den im Film nur viel geredet wird und der ansonsten unsichtbar bleibt, gab Rätsel auf. Jetzt wissen wir es: Georges ist Resnais alter ego. „Aimer, Boire et Chanter“ ein Film des Abschieds eines großen Regisseurs. Ungebrochen kreativ hat Resnais zeitlebens mit einem festen Team von Schauspielern zusammengearbeitet, die mit ihm alt geworden sind. Dazu gehört vor allem André Dussolier, der zur Premiere von „Aimer, Boire et Chanter“ in Vertretung des bereits schwer kranken Resnais nach Berlin gekommen ist. Ahnungsvoll – aber mit der gebotenen Diskretion sagte er – der auch in Schlöndorffs „Diplomatie“ die Hauptrolle spielt – als wir im Interview auf Resnais zu sprechen kommen:
„Resnais betrachtet die Welt zunehmend distanziert und mit einem Lächeln. Dabei ungebrochen jung. Natürlich hat er sich in der Figur des Georges selbst inszeniert. Als einen Mann, der geliebt wird und der dabei ist, sich zu verabschieden von der großen Theaterbühne, die sich Welt nennt“
In dieser Welt lebt es sich schwierig. Auch das zieht sich als roter Faden durch das Oevre des Alain Resnais. Daran hat sich in den 60 Jahren, die er Filme machte, nichts geändert. Die politischen Verhältnisse ragen in unser Leben und bestimmen es. So war das bei ihm von Anfang an. Am Anfang konkret, dann grundsätzlich.
1955: „Nuit et Brouillard/Nacht und Nebel“ in diesem frühen Dokumentarfilm kombiniert Alain Resnais Archivaufnahmen von der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau mit Aufnahmen der Nachkriegszeit. Das eine Schwarzweiss, der andere in Farbe. Musik: Hanns Eisler. Text der deutschen Fassung: Paul Celan. Der Film führt zu einer Krise im deutsch-französischen Verhältnis.
Das Bonner Außenministerium drängt darauf, dass „Nacht und Nebel“ aus dem Programm der Filmfestspiele von Cannes genommen wird. Man blamiert sich wie man kann. Begründung der Adenauer-Administration: Ein Festival wie das in Cannes dienten doch der Harmonie und nicht der Darstellung häßlicher Flecken der Vergangenheit. Die peinliche Affäre macht immerhin den Namen Alain Resnais international bekannt.
1958: „Hiroshima mon amour“ Drehbuch: Marguerite Duras. Auch bei seinem nächsten Film “Letztes Jahr in Marienbad” arbeitet Resnais mit einem Autor des Nouveau roman zusammen: Alain Robe-Grillet. Die Geburt der „Nouvelle vague“! Volker Schlöndorff ist dabei einer der Assistenten Alain Resnais.
In den weitläufigen Gängen eines Luxushotels treffen sich ein Mann und eine Frau. Sie scheinen sich zu kennen oder vielleicht auch nicht. Unbestimmte Gefühle in einer anonymen Welt, in der es keine Heimat mehr gibt.
Kein anderer Film hat das Lebensgefühl der 1960er Jahre vor 1968 derart präzise beschrieben, wie „Letztes Jahr in Marienbad“ und kein anderer die Filmgeschichte bis heute so beeinflusst. Alain Resnais ein großer Cineast und Chronist unserer Zeit ist zwar tot, aber durch sein Werk unsterblich!