San quiang pai an jing qi
Trotz Sonntag rückte die Berliner Stadtreinigung mit schwerem Gerät an, um zumindest das Zentrum der Filmfestspiele zwischen „Berlinale Palast“, „Hyatt Grand“ und „Cinemaxx“ von den Eiskrusten zu befreien – nach dem die Chirurgen und Orthopäden der Stadt nicht mehr nach kommen, den Gefallenen und Gestrauchelten wieder auf die Beine zu helfen. Viel gestrauchelt und gefallen wird auch im chinesischen Wettbe-werbsbeitrag „San quiang pai an jing qi/Eine Frau, ein Revolver und ein Nudelladen“. So kurios der Titel, so kurios der Film, der behauptet auf „Blood simple“ der Gebrüder Coen zu beruhen. Mit einiger Phantasie vermag man hinter dieser bunten Slapstick-Orgie mit Martial Arts-Einschlüssen tatsächlich das Original entdecken. Eine Gruppe unsympathischer Menschen sind hinter einem Haufen Geld her und bringen sich dabei gegenseitig um. Nach maximal 60 Minuten geht einem das Gerenne, Gestolpere und Gekreische der Akteure gewaltig auf die Nerven. Man fragt sich, was den renommierten Regisseur Zhang Yimou zu diesem Unsinn veranlasst haben könnte. Wir erinnern uns: für sein „Rotes Kornfeld“ wurde er 1988 mit einem „Goldenen Bären“ belohnt. Gehörte zur Gruppe der chinesischen Regisseure, die als „Vierte Generation“ neue künstlerische Freiheiten ausprobierten. Im Ausland wurden sie dafür hoch gelobt, daheim zensiert und öffentlich gescholten. Mit staatstragenden Epen wie „Hero“ machte Yimou dann seinen Frieden mit dem Regime. Dafür durfte er die Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele einrichten. Jetzt ist er mit einer Klamotte auf den künstlerischen Hund gekommen. Vielleicht muss in seinem „Nudelladen“ ja auch das tragische Dokument eines gescheiterten Opportunisten gesehen werden. Das Mann kann einem leid tun…
Greenberg
Nach dem chinesischen Bildermüll am Morgen, amerikanisches Kunstgewerbe am Mittag – immerhin mit bescheidenem Starfaktor für den Roten Teppich in Person von Ben Stiller und Jennifer Jason Leigh, die allerdings eher zur zweiten Liga gehören. Der Regisseur heißt Noah Baumbach und ist der glückliche Ehemann von Frau Leigh. Die war in den letzten Jahren ganz gut im Geschäft und konnte es sich deshalb leisten, ihrem Gatten einen Film zu finanzieren. Natürlich legt sie großen Wert auf die Feststellung, dass die Idee zum Drehbuch von ihr stammt. Vermutlich kam ihr diese Idee, als sie einmal vor Langeweile nicht mehr ein noch aus wusste. Weil die Familie zu einer längeren Reise aufgebrochen ist, muss sich das Hausmädchen um den Hund „Mahler“ und den Bruder der Hausfrau kümmern, einen Großstadt-Neurotiker, der sich frustriert als Schreiner am Bau einer Hundehütte versucht. Und so wird nach Woodys Vorbild geredet, geredet und geredet, während Mahler in der Sonne döst. Nach dem ich zum zweiten Mal einge-schlafen bin – wie peinlich, ging ich lieber an die frische Luft. Natürlich auf die Gefahr hin, den möglichen Höhepunkt des Films zu versäumen. Kollegen haben mich später beruhigt…
Die Friseuse
Bereits am Samstagabend kam man als Journalist in den Genuss von Doris Dörries neuem Film „Die Friseuse“. Gedreht nach einem Script der versierten Autorin Laila Stieler, die auch schon Andreas Dresen versorgte. Zum Beispiel bei „Wolke 9“. Wer etwas in dieser Art erwartet, wird bitter enttäuscht. Doris Dörrie und die Ossis in Marzahn verheißen nichts Gutes! Wenn man ihre Affinität zu japanischen Kirschblüten bedenkt. Also diesmal nichts Graziles: Kathi König ist arg übergewichtig, aber guten Mutes – trotz kaputter Ehe, Arbeitslosigkeit und diagnostizier Multipler Sklerose. Von Beruf Friseurin, muss sie auch ihren Traum vom eigenen Frisiersalon begraben. Aber ansonsten geht es ihr gut. Da quartiert Katie doch zwischendurch noch einen Trupp illegaler Asienflüchtlinge bei sich. Wobei sich einer als knackiger Liebhaber erweist, der gerne etwas Habhaftes im Bett hat. Das Ganze betrachtet die gute Doris mit teilnahmsvollem Blick. Wobei ihr – wie so häufig in ihrem inzwischen weitläufigen filmischen und literarischen Oeuvre – der Schalk im Nacken sitzt. Leider ist das Ganze trotzdem nicht richtig abendfüllend. Bemerkenswert die Leistung von Gabriela Maria Schmeide. Sie musste sich für die Rolle heftig aufpolstern lassen. In dieser „Ritterrüstung“ war es sicher nicht leicht, den künstlerischen Tonfall zu halten. Allerdings passt sie damit nahtlos in den krampfigen Film…
Es gab also schon bessere Tage in meinem bisherigen Kritikerleben. Da freut es einen doch, dass die Deutsche Filmakademie mit Iris Berben & Bruno Ganz ein neues Traumpaar ins Präsidentenamt gewählt hat. Die beiden lösen Senta Berger und Günther Rohrbach ab. Äußerlich kein gravierender Unterschied. Man legt eben Wert auf Kontinuität.