Das „Festival des deutschen Films“ Ludwigshafen hat sich in den letzten Jahren zu einer der originellsten und mit 32 000 Besuchern im vergangenen Jahr auch erfolgreichsten Veranstaltungen dieser Art in der Bundesrepublik entwickelt. Das betrifft sowohl den Veranstaltungsort auf der Ludwigshafener Parkinsel in einer extra dafür aufgebauten kleinen Zeltstadt, als auch den Inhalt: das Programm wird von Julia Teichmann, Dr. Michael Kötz, den Filmkritikern Josef Schnelle und Rüdiger Suchsland zusammengestellt und gibt einen repräsentativen Überblick der deutschen Filmproduktionen der letzten zwölf Monate.
In diesem Jahr findet das „Festival des deutschen Films“ noch bis zum kommenden Wochenende statt und steht im Zeichen der kommerziellen Schwierigkeiten, die deutsche Filme trotz oder wegen ihres hohen künstlerischen Niveaus haben.
Im charmanten Ambiente unter weißen Zeltdächern sind seit letzten Mittwoch wieder Filme zu sehen, die es bisher noch nicht ins Rampenlicht einer größeren Öffentlichkeit geschafft haben. In den letzten Tagen Neues aus der Berliner Schule von Angela Schanelec („Orly“) und Andreas Kleinert („Barriere“).
Der Titel von Thomas Arslans neuem Film „Im Schatten“ hat vor diesem Hintergrund etwas Programmatisches, obwohl der Inhalt einen gesellschaftlichen Zustand meint:
Trojan (Misel Maticevic) ist nach fünf Jahren aus dem Knast entlassen worden. Ungerührt sondiert er das Terrain, um seinen Job als Kleinkrimineller wieder aufzunehmen. Weil er ein cooler Typ ist, kann eine Anwältin (Karoline Eichhorn) seinem Sexappeal nicht widerstehen und hilft ihm mit Tipps aus ihrer Praxis weiter. Nach klassischer Manier – mit durchaus gelungenen Zitaten von Melville bis Eastwood – endet das Ganze unerfreulich.
Thomas Arslan hat „Im Schatten“ in betont langen Einstellungen als Portrait einer Parallel-Gesellschaft angelegt. Die unterkühlte Beschreibung einer Schattenwelt, in der jeder jeden kennt und deshalb keiner dem Anderen über den Weg traut. Ein Film, auf den man sich einlassen muss und nach dem man fröstelnd aus dem Kino ins Grüne tritt. Immerhin war das 900-Platz-Kino des „Festivals des deutschen Films“ nahezu ausverkauft.
Davon kann der kleine Berliner Peripher-Filmverleih nur träumen, wenn er „Im Schatten“ demnächst aus dem Festival-Reservat in die freie Wildbahn des deutschen Kinoalltags entlässt. Festival-Chef Michael Kötz macht für das Scheitern vieler deutscher Produktionen die Filmtheater, aber auch die Branche selbst verantwortlich. Das Überangebot an Filmstarts führt zu einer Art „Kanibalismus“, bei dem sich die Filme gegenseitig das Publikum abspenstig machen. So sollen beispielsweise am 1. Juli zehn (!) Filme neu in die Kinos kommen, die mehr oder weniger alle dieselbe Zielgruppe bedienen wollen.
Michael Kötz präsentierte auf der Ludwigshafener Parkinsel mit „Der Räuber“ von Benjamin Heisenberg dazu einen „typischen Fall“, einen Film, dem der Erfolg beim Filmkunstpublikum eigentlich in die Wiege gelegt wurde.
Auf der Grundlage eines authentischen Falls geht es um einen Marathon-Läufer (Andreas Lust), der zwischendurch ohne materielles Interesse Banken überfällt. Allein des ultimativen Kicks wegen. Lange ist der Hochleistungssportler der Polizei glatt davon gelaufen. Ein aufregender Film!
Nach der Uraufführung bei den diesjährigen Berliner Filmfestspielen bekam „Der Räuber“ durchweg exzellente Kritiken. Zorro Film gab sich große Mühe, das Werk angemessen zu platzieren. Trotz des durchdachten Marketingkonzepts lockte „Der Räuber“ anstatt der erwarteten 100 000 Besucher seit Februar bisher lediglich 13 000 in die Lichtspielhäuser.
Die Branche spricht von einem Flop und ordnet „Die Räuber“ einem neuen Film-Genre zu, dem der sogenannten Festivalfilme. Dabei handelt es sich um Produktionen, die nur im Rahmen von Veranstaltungen wie dem Ludwigshafener „Festival des deutschen Films“ ihr Publikum finden. Sie brauchen die Aufmerksamkeit eines solchen Events; im rabiaten Kinoalltag haben die kleinen, feinen, mitunter auch sperrigen und meisten nicht besonders lustigen Filme keine Chance. Dafür haben wir im Lande – zwischen Emden und Tübingen – eine blühende Festivalkultur. Vielleicht nicht die schlechteste Möglichkeit für Filmemacher, den Weg zum Publikum zu finden.
Michael Kötz im Gespräch
SWRcont.ra Film vom 19.6.2010:
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