Christian Jungen „Moritz de Hadeln. Mister Filmfestival“ (rüffer & rup)
Erste und umfangreichste Monographie über die seltene Spezie der Filmfestivaldirektoren. Der Schweizer Filmjournalist Christian Jungen hat sieben Jahre investiert, um der Karriere des Moritz de Hadeln und seiner Frau Erika auf den Grund zu gehen. Die Beiden haben sich mit der Organisation bzw. Re-Organisation der Festivals von Nyon, Locarno, Berlin, Venedig und Montreal ihre Meriten verdient. Eckten dabei nicht selten an. Akribisch bis in entlegene Details liefert Jungen dabei durchaus spannenden Blick hinter die Kulissen der Organisation von Filmfestspielen – ihren Möglichkeiten, den äußeren Begehrlichkeiten der Branche und ihren unterschiedlichen Intriganzien.
Moritz de Hadeln? Nur Insider werden heute noch etwas mit dem Namen verbinden. Kaum einer wird sich noch daran erinnern, dass de Hadeln aus dem regionalen Dokumentarfilmfestival Nyon eine Plattform internationalen Zuschnitts gemacht, Locarno aus dem touristischen Sommerloch geholt, der Berlinale die Tore nach Hollywood, Asien und den damaligen Ostblock geöffnet hat.
Ein Großteil des Buches beschäftigt sich zwangsläufig mit Moritz des Hadelns Berliner Jahre. Das waren 21 Jahre von 1980 bis 2001. Das war ein Zeit der Auf-und Umbrüche, die Wandlung der Berlinale vom „Frontfestival“ zu gesamtdeutschen Filmfestspielen.
De Handeln hatte kein leichtes Leben an der Spree. Nicht nur sein drolliges Deutsch gab Anlaß zu Hohn und Spott. Seine monomanische, bisweilen ruppige Art ließ die Atmosphäre in seiner Nähe abkühlen. Kein Wunder, dass er bei der deutschen Filmkritik nicht sonderlich wohl gelitten war. Es gehörte zum „guten Ton“ in den Feuilletons, dass an de Hadelns Berlinale-Programmierung kein gutes Haar gelassen wurde: Mal zuviel, mal zu wenig Hollywood, der deutsche Film schlecht oder falsch vertreten. Regelmäßig ist seine Abberufung gefordert worden. Auf besonders unschöne Weise ist sie dann 2001 durch den eben erst berufenen Kulturstaatsminister Naumann vollzogen worden – mit tatkräftiger Unterstützung von Volker Schlöndorff. Rüder geht es kaum, einem den Stuhl vor die Tür zu stellen!
Christian Jungens Buch liest sich dann auch als Rehabilitation eines zu Unrecht Gescholtenen. Es ist das Porträt eines Individualisten mit Ecken und Kanten, der nur bedingt über die Fähigkeit zum Kompromiß verfügt. Aufschlußreich die Rolle, die Erika de Hadeln in der Karriere ihres Mannes spielt. Jungen gibt diskrete Hinweise…
Sieben Jahre hat sich der Autor mit dem de Hadeln’schen Privatarchiv beschäftigt. Die Nähe zum „Objekt“ hat natürlich seinen Preis: kritisches Hinterfragen der up and downs in de Hadelns Macher-Karriere kommen nur sehr spartanisch vor. Dafür gibt es jede Menge Details! Wobei man Manches so genau nicht unbedingt wissen möchte. Kurzum: ein Buch für einen guten Zweck! Moritz de Hadeln ist sehr glücklich darüber, wie in der Einleitung betont. Was will man als Autor mehr! Zumal wenn das Werk von diversen Stiftungen finanziert wurde und deshalb nicht den Wettbewerb im Buchhandel bestehen muss…
Christian Jungen: Moritz de Hadeln.Mister Filmfestival, 486 Seiten, Verlag rüffer&rub,2018, 38€