Deutschland/Russland/Ukraine 2011
Regie: Achim von Borries
Mit Pavel Wenzel, Aleksei Guskov, Angelika Häntsch, Gertrud Roll, Alexander Held, Martin Brambach
Kinostart: 29. September 2011
Deutsche Produktionen zur Zeitgeschichte werden seit dem „Wunder von Bern“ gerne auf der „Piazza Grande“ von Locarno uraufgeführt. Ein dankbares Publikum spendet hier herzlichen Beifall, wenn das Werk vorher von der Filmkritik mit Häme bedacht wurde. Heute Abend präsentierte Achim von Borries („Was nützt die Liebe in Gedanken“) sein jüngstes Werk „4 Tage im Mai“ auf der größten Leinwand Europas an einem lauen Sommerabend.
Filme, die mit dem Hinweis antreten „Nach einer wahren Begebenheit“, meinen es meistens ziemlich ernst. Nicht anders Achim von Borries bei „4 Tage im Mai“. Er hat es sich nicht leicht gemacht, mit diesem Anspruch: Sein Hauptdarsteller und russischer Koproduzent Aleksei Guskov („Das Konzert“) will die Geschichte einer ungewöhnlichen Begegnung zwischen Sowjetischen Soldaten und deutschen Zivilisten im Mai 45 in russischen Archiven entdeckt haben: Erstaunlich vage bleibt allerdings der Ort der Handlung. Irgendwo an der Ostseeküste. Ostpreußen könnte man meinen. Dagegen spricht allerdings die Nähe zu Dänemark, die eine wichtige Rolle spielt. Also nehmen wir an, es sei Rügen.
Ebenso wie in der Geografie der Handlung, fällt auch die weitere Verortung dieses Films nicht leicht. Borries wollte der langen Reihe von WK II-Filmen nicht einfach einen weiteren hinzufügen. Auch die X-Produktion hat nach dem „Weißen Band“ im historischen Angebot einen Standard zu halten.
Aber der Reihe nach: Also Anfang Mai 1945, das Ende des Krieges absehbar: der kleine Peter (Bemerkenswert: Pavel Wenzel) stellt sich – als Pimpf nazistisch infiltriert – einem Trupp Russen mit dem MG entgegen, der im Begriff ist, ein einsam gelegenes Gut zu erobern, in dem deutsche Waisenkinder um ihre Zukunft bangen.
Zum Glück handelt es sich bei dem russischen Hauptmann (Aleksei Guskov) um einen verständigen Familienvater von natürlicher Autorität, der dem Buben die Waffe einfach aus der Hand nimmt. Überhaupt sind die Russen nette Leute. Des Kämpfens müde, aber immer noch diszipliniert. Wer nicht pariert, kriegt vom Hauptmann eins aufs Dach! Ein bisschen weniger nett: eine versprengte Einheit der Wehrmacht, die ebenfalls auftaucht.
Während die alten Bäume vor dem Herrenhaus im Frühlingswind rauschen, ist Koexistenz das Motto der Stunde. Musikalisch wird das Idyll von einer Glasharfe und/oder großem Orchester begleitet. Die Dame des Hauses (Gertrud Roll) verbindet Wunden und wäscht die Uniformen.
Gegen die Beschreibung solch humanitärer Momente ist nichts einzuwenden. Auch im Krieg soll es – wie man läuten hört – Menschlichkeit geben; den neuen, immer schrecklicheren Erkenntnissen über Verbrechen der Wehrmacht und Gräueln der anrückenden Sowjetarmee zum Trotz.
Selbst die verbale russisch-deutsche Verständigung klappt in diesem Film vorzüglich – sowohl die Frau Baronin als auch der kleine Peter sind des Russischen perfekt mächtig.
Im Herrenzimmer des Gutes setzt sich zur Abendstunde ein junger Russe (Grigori Dobrygin) ans Klavier und spielt Schumann. Das rührt das Herz einer jungen Deutschen (Angelika Hänsch), sie verliebt sich stande pe ihn. Da kommt Krise auf – ausgelöst vom eifersüchtigen Peter. Davon abgesehen ahnen wir ohnehin, das ist alles viel zu schön um Wahr zu sein.
Richtig! Jetzt kommen die bösen Russen. Aber zum Glück ist ja die Wehrmacht noch nicht weit: die wackeren Deutschen unterstützen die Guten Russen gegen die Bösen Russen. Gemeinsam geben sie ihr Leben, damit die Waisen die rettende Überfahrt nach Dänemark antreten können.
Achim von Borries erzählt seine Geschichte in jeder Beziehung zwischen den Fronten mit entwaffnender Selbstverständlichkeit. Baute hier und da ein paar Ecken und Kanten ein, um den möglichen Vorwurf politscher Blauäugigkeit schon von vornherein zu entkräften.
Dabei darf natürlich nicht außer Acht gelassen werden, dass die russischen und ukrainischen (!) Partner bei diesem Projekt – es wurde fast ausschließlich in Russisch realisiert – nicht nur ein kleines „Wörtchen“ mitgeredet haben. Wenn man sich ansieht, wie in diesen beiden Ländern – im Fernsehen wie im Kino – die weniger erfreulichen Seiten dieses Themas derzeit eingemottet werden, sind die „4 Tage im Mai“ sogar ziemlich kritisch ausgefallen.
Und die Machart? Gediegenes Fernsehspiel mit bescheidenem Budget! Bei Teamworx würde eine solche Produktion vermutlich aus der Portokasse bezahlt. Aber das will nichts heißen, wenn gleich diese aus der Not geborene Tugend nicht so recht erfreuen will. Wenn die Kamera beim finalen Gefecht bei Peter und der vom russischen Pianisten geerbten Maus im Keller verbringt und der Kalk von der Decke rieselt, dann erlebt der Zuschauer keine Sternstunde der Filmdramaturgie, sondern fühlt den Verdacht keimen, für viel mehr hat das Geld nicht gereicht.
Das alles wirkt ein bisschen hilflos. Tut aber dem ehrenwerten Film natürlich keinen Abbruch – die Macher haben es absolut gut gemeint und das ist was wert in dieser Zeit…
Filmfan
Kann mir nicht vorstellen das jemand glaubt das die Russen nette Leute sind. Das haben andere Kriegsfilme ja schon verdeutlicht.